Krise fördert neue Gewohnheiten

In Kuba nutzen Restaurants wegen den Corona-Beschränkungen verstärkt Lieferdienste

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 4 Min.

Weil die Touristen ausbleiben, trifft die Coronakrise auch Kuba hart. Nicht nur Hotels fehlt die Kundschaft, sondern auch Bars und Restaurants. Die satteln deshalb um auf Lieferdienste.

Von Andreas Knobloch, Havanna

Am 20. März verkündeten Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel und Premierminister Manuel Marrero im kubanischen Fernsehen eine Reihe von Einschränkungen angesichts der ersten Coronafälle auf der Insel. Nur noch Kubaner und Residenten würden ins Land gelassen, die meisten Hotels geschlossen. »Es wird nur noch die Abreise von Touristen geben. Es werden keine mehr kommen«, betonte Marrero. Zudem müssten Restaurants ihre Kapazitäten um 50 Prozent reduzieren. Und ab jetzt gelte es, Abstand zu halten.

Einen Tag später schloss Maikel Paz seine Bar »PaZillo« im Stadtteil Vedado in Havanna. Aus gesundheitlichen Gründen, wie er sagt, und um den Vorgaben der Regierung Folge zu leisten. »Wir haben versucht, möglichst lange offen zu bleiben, um unseren Angestellten weiter ein Einkommen zu ermöglichen«, so der 36-Jährige. Der Staat tue, was er könne. Für die Zeit der Schließung wurden zwar alle Steuerzahlungen ausgesetzt. Für milliardenschwere Staatshilfen wie in Deutschland aber fehlen die Mittel. Und so trifft der Einbruch des Tourismus - in den vergangenen Jahren einer der wenigen wachsenden Wirtschaftszweige Kubas - das ohnehin in einer schweren Wirtschaftskrise befindliche Land hart. Die Bar »PaZillo« zieht zwar hauptsächlich Einwohner Havannas an, aber »das Geld in den Händen der Leute kommt aus dem Tourismus«, sagt Paz, der Architekt war, bevor er 2017 zum Barbetreiber wurde. »Wenn der Einbruch des Tourismus sehr groß ist, hat das auch Auswirkungen auf uns.«

Auch das »Ecléctico«, ein italienisches Restaurant ein paar Straßen weiter, das vor allem bei ausländischen Fachkräften und der kubanischen Mittelklasse beliebt ist, hat für den Publikumsverkehr geschlossen. »Havanna leert sich, die Touristen fliegen aus oder werden auf Anordnung der Behörden in ihren Hotels unter Quarantäne gestellt. Das bedeutet für uns, dass wir keine Gäste mehr haben«, sagt Andrea Gallina, der zusammen mit seiner Frau Diana das Restaurant seit 2016 betreibt.

Er sieht durch die Corona-Epidemie schwere Zeiten auf Kuba zukommen. »Es ist kein lokales Problem, kein Hurrikan, der vorbeizieht und von dem man sich schnell erholt.« Der 49-jährige Römer rechnet damit, dass es lange dauern wird, bis wieder Touristen kommen. »Wir selbst haben uns in gewisser Weise neu erfunden, sind auf einen globalen Zug aufgesprungen: den Zug des Essenslieferdienstes.« Er mache damit zwar kaum Gewinn, erklärt Gallina, »aber das Wichtigste ist, dass unsere Angestellten weiter arbeiten und ihre Rechnungen bezahlen können«. Er glaubt, dass der Lieferservice auch nach der Krise wichtig für sein Restaurant sein werde. »Die Menschen werden sich daran gewöhnen, ihr Essen online zu bestellen.« In anderen Teilen der Welt sei das normal, hier in Kuba etwas sehr Neues. Neben Ausländern bestellten auch immer mehr kubanische Kleinunternehmer, erzählt Gallina, »vielleicht, weil es etwas Neues ist, aus Bequemlichkeit oder weil sie müde sind, jeden Tag dasselbe zu essen«.

Für die Lieferungen arbeitet sein Restaurant mit Mandao zusammen. Gegründet wurde das Unternehmen von Marta Deus - zunächst als Lieferservice für Papiere und Dokumente, bevor sie im September 2019 auf Essen umschwenkte. Das Geschäft brummt. »Die Krise trifft uns auf verschiedene Weise«, sagt die 32-Jährige. »Viele Restaurants, die mit uns zusammenarbeiteten, haben geschlossen. Andere, die bisher keinen Lieferservice hatten, bieten ihn nun an.« Rund 15 private Restaurants lassen derzeit ihr Essen durch Mandao ausliefern, und selbst Hotels wie das Meliá Habana nutzen den Service.

»Die Bestellungen haben zugenommen«, sagt Deus. »Für uns ist es definitiv ein Moment des Wachstums, vor allem, da die Menschen Mandao als eine Option annehmen, die sie auch nach der Krise haben werden.« Das kleine Start-up beschäftigt derzeit drei feste Mitarbeiter und ein Dutzend freiberufliche Fahrer - Tendenz steigend. Beliefert wird ganz Havanna. Noch ordern die Menschen per Telefon oder Whats-app ihr Essen; demnächst soll es eine App geben und der Lieferservice auf Lebensmittel wie Gemüse, Käse oder Wurst ausgeweitet werden.

»Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut«, zeigt sich Gallina zufrieden. Er lobt die gute Infrastruktur von Mandao und sieht großes Wachstumspotenzial. »Das ist die Zukunft.« Denn Gewohnheiten änderten sich. »Es hat sich immer wieder gezeigt. Innovation entsteht während Krisenzeiten, nicht während der Zeiten, in denen es uns gut geht.« Von daher sei eine Krise auch immer eine Chance. Man muss es sich nur leisten können.

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