Lockerungsübungen
Bund und Länder nehmen einige Verbote zur Eindämmung der Corona-Pandemie zurück
Seit Tagen wird in Deutschland über Lockerungen der Corona-Maßnahmen diskutiert. Unter welchen Voraussetzungen können Schulen wieder öffnen? Was ist mit dem Einzelhandel? Wie sieht es mit Kultur- und Freizeiteinrichtungen aus? Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hatte am Ostermontag eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie Schritte aus dem Shutdown skizzierte. Ein ähnliches Papier wurde von einer Expertenkommission der nordrhein-westfälischen Landesregierung veröffentlicht. Am Mittwoch berieten die Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung darüber, wie es weitergehen soll. Eine einheitliche Strategie war das Ziel.
Schon bevor sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der derzeit der Ministerpräsidentenkonferenz vorsitzt, und sein Stellvertreter, der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), in einem offiziellen Statement äußerten, drangen Eckpunkte der Einigung an die Öffentlichkeit.
Demnach bringt der Bund bei der Öffnung von Läden und Unternehmen ins Gespräch, zunächst im ersten Schritt eines Stufenmodells Geschäfte wie den Kfz- und Fahrradhandel, Buch- und Möbelhandel sowie Telekommunikationsunternehmen wieder zu öffnen. Zudem könnten Museen, Zoos und botanische Gärten ab dem 20. April wieder für die Bürger zugänglich sein. Dagegen sollen Theater und Konzertsäle weiter geschlossen bleiben.
Neben kleinen Läden und Boutiquen sollen vom 20. April an zunächst Möbel- und Autohäuser bis 800 Quadratmeter Ladenfläche öffnen können, ab dem 4. Mai dann auch größere Märkte. Der Bund halte von diesem Datum an auch eine Öffnung von Friseurläden für realistisch, hieß es weiter. Auch sogenannte Geisterspiele der Bundesliga ohne Publikum sollten erlaubt werden, Fitnessclubs aber weiter geschlossen bleiben.
Zum Verbot von Gottesdiensten aller Religionen hieß es nach dpa-Informationen in der Bund-Länder-Schalte am Dienstag, hier könne man sich noch am ehesten Lockerungen vorstellen. Demnach soll das Bundesinnenministerium schon in dieser Woche entsprechende Gespräche mit Vertretern von Religionsgemeinschaften aufnehmen.
Insgesamt sollen viele Kontaktbeschränkungen und Verbote voraussichtlich mindestens bis zum 3. Mai aufrechterhalten werden. Damit wolle man zusätzliche Zeit beim weiteren Aufbau intensivmedizinischer Kapazitäten in den Kliniken, der Steigerung von Testkapazitäten sowie der Verbesserung der Zielgenauigkeit von Tests gewinnen, wird das begründet.
Wirtschaftsvertreter kritisierten die Pläne. Vor allem Handelsverbände äußerten Unmut. Stefan Genth vom Handelsverband Deutschland nannte die Maßnahmen »nicht sachgerecht«. Vorgaben sollten für den gesamten Einzelhandel und nicht nach Geschäftsgröße gestaffelt gelten. In großen Geschäften sei es sogar leichter, Abstandsregeln einzuhalten.
Die in der Corona-Krise eingeführten Kontrollen an deutschen Grenzen werden für weitere 20 Tage bis zum 3. Mai gelten. Die Kontrollen waren vor einem Monat eingeführt worden. Seither werden die Grenzen zu Österreich, Frankreich, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz überwacht. An den Übergängen nach Belgien und in die Niederlande wird hingegen nicht kontrolliert. Allerdings wurde auch in diesen Abschnitten die Überwachung im 30-Kilometer-Grenzraum intensiviert.
Beschränkungen für Einreisen aus Staaten, die nicht zur EU gehören, werden dem Vernehmen nach auf Empfehlung der Europäischen Kommission bis zum 15. Mai verlängert.
Auf Ebene der Europäischen Union mahnen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel zu einem abgestimmten Vorgehen der 27 Mitgliedsstaaten. Die Schritte sollten koordiniert werden, heißt es in einem gemeinsamen Papier von Rat und Kommission. Geschehe dies nicht, könnten Maßnahmen einzelner Länder negative Effekte für andere haben. Politische Konflikte zwischen den Staaten würden so verstärkt. Von der Leyen und Michel betonen: »Respekt und Solidarität« zwischen den EU-Mitgliedern blieben »essenziell«.
Derzeit besteht in der Europäischen Union ein Flickenteppich an Maßnahmen. In einzelnen Ländern wurden in den letzten Tagen deutliche Lockerungen der Restriktionen beschlossen. In anderen gelten weiterhin scharfe Ausgangsbeschränkungen. Mit dpa
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