Gelsenkirchen: Rechter Angriff auf Linke-Büro am helllichten Tag

AfD in Gelsenkirchen stärkste Kraft – Ermutigung für Übergriffe

In Gelsenkirchen hat die AfD bei der Bundestagswahl die meisten Zweitstimmen bekommen.
In Gelsenkirchen hat die AfD bei der Bundestagswahl die meisten Zweitstimmen bekommen.

Am Montag veröffentlichte die Linksjugend aus Gelsenkirchen ein Video auf Instagram. Es zeigt das Ende einer Bedrohungssituation, die es am Sonntag vor dem Büro der Linken gab. Ein großer Mann ist zu sehen, der allerlei Flüche und Bedrohungen gegen Die Linke ausstößt. Er nennt sie »Ziegenficker« und sagt: »Man sollte euch alle totschlagen.« In einer Pressemitteilung der Gelsenkirchener Linken ist außerdem die Rede von Tritten gegen die Fensterscheiben des Linke-Büros und körperlichen Übergriffen gegen Mitglieder der Partei. Mehrere Menschen seien dabei verletzt worden. Die Linke rief die Polizei, Anzeigen wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung, Beleidigung sowie Volksverhetzung wurden erstattet.

Fotis Matentzoglou arbeitet im Büro der Linken. Er ist 38 Jahre alt und schon lange in der Partei aktiv. Trotzdem sagt er, dass er so etwas »noch nie erlebt« habe. Ein gewalttätiger Übergriff am helllichten Tag, das ist ungewöhnlich. Die Linke kennt auch im Ruhrgebiet Anfeindungen und Übergriffe auf Parteieinrichtungen gut. Meist geschehen sie aber nachts, wie der Sprengstoffanschlag auf das Büro der Partei in Oberhausen im Juli 2022.

Matentzoglou hat eine einfache, aber ebenso schlüssige Erklärung für Übergriffe wie am Sonntag und weitere Anfeindungen: »Das Erstarken der AfD ermutigt Rechte zu Angriffen.« Bei der Bundestagswahl wurde die AfD in Gelsenkirchen bei den Zweitstimmen die stärkste Kraft. Sie erreichte 24,6 Prozent, die SPD liegt mit 24,1 Prozent dahinter. Das Ergebnis der AfD ist, obwohl die Partei im armen Norden des Ruhrgebiets schon lange stark ist, ein Schock für viele in der Stadt. Gelsenkirchen versteht sich als Arbeiterstadt – seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben hier mit einer fünfjährigen Ausnahme immer sozialdemokratische Oberbürgermeister*innen regiert.

Aber die Stimmung in der Stadt ändert sich, wie Fotis Matentzoglou berichtet. Die Stärke der AfD sei zu spüren. Bedrohungen wie am Sonntag spitzen die Lage noch zu. Matentzoglou erzählt, dass gerade viele jüngere Genoss*innen verunsichert seien: »Es gibt mittlerweile Menschen, die Angst haben, ins Büro zu kommen.« Von der nordrhein-westfälischen Landesregierung fordern die Gelsenkirchener Linken, »das Thema Rechtsextremismus endlich ernst zu nehmen«, von den lokalen Behörden erwarten sie eine schnelle und konsequente Aufklärung.

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Die Polizei selbst bestätigt den Vorfall am Parteibüro, schreibt in einer Mitteilung allerdings von »wechselseitigen körperlichen Übergriffen«. Man habe mit Parteimitgliedern »Sicherheitsgespräche« geführt. Gegen den 36-jährigen Rechten wurde ein Platzverweis ausgesprochen. Außerdem wird gegen ihn wegen Volksverhetzung, einfacher Körperverletzung und Bedrohung ermittelt.

Was tun gegen Übergriffe? Fotis Matentzoglou erklärt, dass Die Linke auch in Gelsenkirchen viele junge Neumitglieder hat. Das sei gut, weil man dadurch auch den Austausch zu antifaschistischen Gruppen ausgebaut habe. Zusammen müsse man den Rechten auf der Straße entgegentreten. Unter den Parteien gebe es außerdem Gespräche darüber, wie man gemeinsam einen AfD-Oberbürgermeister verhindern könne.

Vor den Kommunalwahlen im September steht aber erst mal der 1. Mai an. Für diesen Tag hat die neonazistische Partei Die Heimat (früher NPD) einen Aufmarsch in Gelsenkirchen angekündigt. Eine gute Gelegenheit, den antifaschistischen Schulterschluss auf der Straße zu üben.

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