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Zeit für einen Systemwechsel

Der Krankenhausnotstand ist ein Weckruf, meinen Bernd Riexinger und Harald Weinberg

  • Bernd Riexinger und Harald Weinberg
  • Lesedauer: 3 Min.

Bilder aus den Krankenhäusern, wie wir sie aus Italien oder New York gesehen haben, sind uns hierzulande zum Glück bisher erspart geblieben. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Epidemie zeigen Wirkung und es konnten ausreichend Behandlungskapazitäten geschaffen werden. Aber noch sind wir nicht über den Berg. Es bleibt zu hoffen, dass die beschlossenen Lockerungen nicht zu voreilig waren oder gar zu einer zweiten Welle der Epidemie beitragen.

Die Krankenhäuser befinden sich trotzdem weiter im Ausnahmezustand. Auch wenn derzeit genug Intensivbetten vorhanden sind, fehlt es an allen Ecken und Enden an Personal. Der Pflegenotstand war schon vor Corona da. Jetzt kommen fehlende Schutzausrüstung, höheres Ansteckungsrisiko, noch mehr Stress und 12-Stunden-Schichten dazu. Die Pflegekräfte sind längst über dem Limit.

Hier hat das Krisenmanagement der Bundesregierung völlig versagt. Die einmaligen Zuschläge für Pflegekräfte sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung - aber selbst diese Prämien sind bisher nicht flächendeckend vorgesehen. Notwendig ist eine wirkliche Aufwertung der Pflege und aller Arbeiten in Krankenhäusern mit höheren Löhnen. 500 Euro mehr pro Monat, wie sie die LINKE fordert, wären ein wirkungsvoller Anfang.

Vom Personalnotstand bis zu fehlenden Krankenhausbetten - durch die Coronakrise wird der Notstand in den Kliniken wie durch ein Brennglas sichtbar. Die Ursachen haben System: Die Krankenhäuser wurden durch neoliberale Gesundheitspolitik systematisch auf Wettbewerbsfähigkeit getrimmt und unter Kostendruck gesetzt. Geld bekommen die Kliniken im System der Fallpauschalen nur für behandelte Fälle, nicht etwa für vorgehaltene Betten oder gute Personalausstattung. Von diesem System profitieren nur private Krankenhauskonzerne wie Helios oder Asklepios.

Auf Pandemien sind Kliniken unter diesen Bedingungen nicht vorbereitet. Die Coronakrise sollte für alle zum Weckruf werden. Aber die Bundesregierung hält lieber ihre schützende Hand über die Profiteure des Krankenhausnotstands. Das im März beschlossene »Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz« tastet die Fallpauschalen nicht an.

Gegen den Pflegenotstand und Krankenhausschließungen hat sich vielerorts Widerstand entwickelt. Wir sind überzeugt: Für eine gemeinwohlorientierte Gesundheitsversorgung lassen sich - gerade jetzt - gesellschaftliche Mehrheiten gewinnen! Die gesundheitspolitische Debatte verschiebt sich. Ende März brachte ein hessischer CDU-Landrat die Verstaatlichung aller Krankenhäuser ins Spiel. Markus Söder fordert eine »grundlegende Reform« des Gesundheitssystems noch vor der nächsten Bundestagswahl. Aber für wirkliche Veränderungen braucht es massiven Druck aus den Betrieben und von der Straße.

Die Fallpauschalen müssen fallen und die Krankenhäuser nach dem wirklichen Bedarf finanziert werden. Wie systemrelevant Krankenhäuser sind, hat die Krise offengelegt. Bei dieser Systemrelevanz darf es kein Tabu sein, über eine Verstaatlichung der Krankenhauskonzerne zu reden. Im ersten Schritt müssen die Fallpauschalen für die Zeit der Pandemie ausgesetzt werden - keine Klinik sollte in der Coronakrise Profite machen. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft, ver.di und der Marburger Bund stehen in dieser Situation hinter dieser Forderung.

Die so genannten »systemrelevanten Berufsgruppen« bringen unsere Gesellschaft durch diese schwere Krise. Ihr Selbstbewusstsein wird danach ein anderes sein. Wir alle sind aufgefordert, die Gesundheitsarbeiter*innen nicht alleine zu lassen, wenn es darum geht, ein gemeinwohlorientiertes öffentliches Gesundheitssystem zu erkämpfen.

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