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Eigentümer tricksen sich durch Mietendeckel
Akelius inseriert weiter Horrormieten für Wohnungen
Die Umsetzung des Mietendeckels schreitet auch in der Coronakrise voran. Diesen Donnerstag läuft die Frist aus, innerhalb derer die Hauseigentümer ihren Mietern schriftlich mitteilen müssen, welche Kriterien für deren Wohnung gelten, hauptsächlich das Baualter der Immobilie und ob die Ausstattung den Aufschlag von einem Euro pro Quadratmeter rechtfertigt. Zwei Monate Zeit wurde den Hauseigentümern vom Land Berlin dafür nach Inkrafttreten des Gesetzes am 23. Februar eingeräumt.
»Sollte man das Schreiben bis dann nicht bekommen haben, kann man den Vermieter auffordern, diese Eingruppierung vorzunehmen«, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, zu »nd«. Allerdings gibt es derzeit nur für einen kleinen Teil der Mieter in der Hauptstadt Ansprüche auf Mietabsenkungen. Dies gilt in länger bestehenden Mietverträgen derzeit nur, wenn es nach dem Stichtag 18. Juni 2019 Mieterhöhungen gab. Auch bei Neuverträgen der letzten Monate kann dies der Fall sein. »Wenn man die Indikatoren gut kennt, kann man seinen Senkungsanspruch natürlich auch ohne das Informationsschreiben des Vermieters formulieren«, sagt Wild. Mietreduzierungen auf breiter Front werden laut Gesetz erst ab Ende November möglich sein, die Berechnung ist etwas komplexer.
Am Freitag ist der Bußgeldkatalog für Verstöße gegen den Mietendeckel in Kraft getreten. Verstöße kosten mindestens 250 Euro und maximal 2000 Euro Buße pro Wohnung.
Der Senat hat die Frist für die Informationspflicht im März zunächst um ein halbes Jahr verlängert. Der Verzicht auf die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit gilt allerdings nur so lange, wie die Coronakrise die Erfüllung der Pflichten unmöglich macht. Die Vermieter müssen dies nachweisen können. nic
Der Mieterverein zieht eine zwiespältige Bilanz nach zwei Monaten Mietendeckel. »Das Einfrieren der Miete und das Zurücksetzen letzter Mieterhöhungen auf die Stichtagsmiete werden durchaus von zahlreichen Vermietern eingehalten«, berichtet Wild. Allerdings zeige sich auch, dass eine erhebliche Anzahl von Vermietern die Mietbegrenzung umgehen oder sich den Anspruch auf ihre Wunschmiete für den Fall der Verfassungswidrigkeit des Berliner Landesgesetzes sichern wollten.
»Schattenmiete« hat sich als Begriff für Letzteres etabliert. Ganz prominent schreibt zum Beispiel Akelius, mit 14 000 Wohnungen in der Hauptstadt kein unbedeutender Player, horrende Mieten in seine online verfügbaren Wohnungsangebote. 800 Euro Kaltmiete verlangt der Immobilienkonzern des schwedischen Gründers Roger Akelius für eine 20-Quadratmeter-Bude am nördlichen Ende der Schönhauser Allee in Prenzlauer Berg. »Im Mietvertrag wird eine Nettomiete in Höhe von 800 Euro vereinbart«, heißt es im Kleingedruckten. Es werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass während des Geltungszeitraums des Mietendeckels »lediglich eine Nettokaltmiete in Höhe von 148,40 Euro gefordert und entgegengenommen wird«. Bei Verfassungswidrigkeit oder Nichtigkeit des Gesetzes werde Akelius die Differenz zur im Mietvertrag vereinbarten Miete »seit dem Beginn der Pflicht zur Zahlung der Miete nachfordern«.
Es sei »grundsätzlich wohl rechtlich zulässig, dass für den Fall einer durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eintretenden Nichtigkeit des Mietendeckels als aufschiebende Bedingung eine höhere Miete in dem Mietertrag aufgenommen werden kann«, muss die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen auf nd-Anfrage einräumen.
Erfreulicher ist die bisherige juristische Bilanz zum Mietendeckel. Dem Mieterverein sind 34 Entscheidungen und Hinweise von Amtsgerichten bekannt, in 31 davon seien keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Mietendeckels gehegt worden, berichtet Reiner Wild.
Auf der neuen Kampagnen-Internetseite, www.mietendeckel.jetzt, des Mietervereins findet sich auch ein Mietendeckelrechner. »Der Mietendeckel ist nur so gut, wie er auch genutzt wird«, begründet Wild das.
»Neben der Sicherstellung der Umsetzung des Mietendeckels gilt es jetzt auch für die Zeit danach vorzusorgen und das Mietenkataster zu erstellen«, sagt Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger. »Da es technisch und datenschutzrechtlich komplex und aufwendig ist, muss man mit dem Aufbau rechtzeitig beginnen«, fordert sie. 100 000 Euro jährlich sind für dieses und kommendes Jahr bereits im Haushalt eingestellt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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