Zahlen und Faktoren

Corona-Fälle bei Somalis in Finnland und Schweden

  • Robert Stark, Helsinki
  • Lesedauer: 3 Min.

Jüngst veröffentlichte Zahlen der Gesundheitsbehörden von Schweden und Finnland beunruhigen eine Bevölkerungsgruppe dort ganz besonders. Die Statistiken für beide Länder zeigen, dass Menschen mit somalischem Migrationshintergrund höhere Coronavirus-Infektionsraten als ihre Einwohner allgemein haben.

Anfang April entfielen 18 Prozent der durch Covid-19 verursachten Todesfälle in Schweden auf Somalis, obwohl ihr Bevölkerungsanteil gerade einmal bei 0,7 Prozent liegt. In der finnischen Hauptstadt Helsinki lag die Infektionsrate unter den Somalis in der vergangenen Woche bei 1,8 Prozent. Aber nur 0,2 Prozent der Helsinkier insgesamt waren infiziert.

In den beiden nordischen Ländern sind die Hauptstädte überdurchschnittlich von der Pandemie betroffen. Hier wohnen auch die weitaus meisten der Ostafrikaner, die seit den 1990er Jahren vor allem aus dem instabilen Somalia als Schutzsuchende vor dem dortigen blutigen Bürgerkrieg in diesen Teil Europas kamen.

Heute leben in Finnland mehr als 20 000 Menschen mit somalischem Hintergrund. In Schweden liegt ihre Zahl bei über 60 000. In beiden Ländern ist diese Einwanderergruppe mit vielfältigen Schwierigkeiten im Alltag und strukturellen Diskriminierungen bei Ausbildung und Arbeit konfrontiert.

In der größten Zeitung Finnlands »Helsingin Sanomat« kritisierte der Sprecher der finnischen Somalier-Union, Mohamed Ali Jama, das Vorgehen der Behörden: »Aus unserer Sicht wäre es wünschenswert gewesen, die Gründe für die höheren Infektionen zu erklären, bevor man diese Zahlen veröffentlicht.« Die somalische Gemeinde befürchtet, dass sie zu Anfeindungen führen. »Das macht uns das Leben noch schwerer«, so Ali Jama.

Tatsächlich dürften sozioökonomische Faktoren zu den abweichenden Infektionsraten beitragen. Der Vorsitzende der finnischen Linksjugend, Liban Sheikh, erläutert: »Ein Großteil der Somalis in Finnland arbeitet im Dienstleistungssektor, in der Logistik, im Reinigungs- oder Gesundheitssektor. In diesen Bereichen gibt es eine hohe Infektionsgefahr und ein Homeoffice ist dort einfach nicht möglich.« Sheikh ist der erste afrofinnische Vorsitzende einer politischen Jugendorganisation in Finnland. »Das Herausstellen von Minderheiten in den Statistiken ist kein konstruktiver Umgang in dieser Krise«, kritisiert Sheikh.

In einem Mitte März erschienenen Aufsatz zählt Susanne Bejerot von der schwedischen Universität Örebro die häufig beengten Wohnverhältnisse zu den besonderen Risikofaktoren bei Somalis. Auch seien überdurchschnittlich viele Raucher. Hinzu komme, dass bei Menschen mit dunkler Hautfarbe in Gebieten mit wenig Sonneneinstrahlung häufiger ein Vitamin-D-Mangel und damit eine erhöhte Infektanfälligkeit auftrete. Fehlende Schwedischkenntnisse bildeten zudem ein Hindernis für behördliche Gesundheitsempfehlungen.

Die Corona-Pandemie verschärft die Situation der sozial unterprivilegierten Somalis in beiden Ländern deutlich. Einerseits sind sie besonderen Gesundheitsrisiken ausgesetzt. Anderseits werden Diskriminierungen, schiefe Blicke oder falsche Verdächtigungen dadurch wahrscheinlicher. Die Behörden in beiden Ländern sind alarmiert. Um diese Bevölkerungsgruppe zu erreichen, wird nun verstärkt Informationsmaterial auch in der somalischen Sprache herausgegeben.

Herrschte zu Beginn der Pandemie noch allgemein die Auffassung, dass Corona das gleiche Risiko für alle darstelle, zeigt sich nun immer deutlicher, dass die Wahrscheinlichkeit einer Infektion und eines schweren Krankheitsverlaufs auch in den reichen Ländern erhöht ist, wenn man einer sozial oder ethnisch diskriminierten Randgruppe angehört.

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