Autoritär durch die Coronakrise

El Salvador hat rasch auf die Pandemie reagiert - Bukele regiert per Dekret

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie immer kam die Nachricht von El Salvadors Präsidenten Nayib Bukele per Twitter, dem bevorzugten Kanal des 39-Jährigen. Die Botschaft war deutlich. Er werde das Urteil des Verfassungsgerichts nicht akzeptieren und das Exekutivdekret 19 weiter durchsetzen lassen. Dieses sieht rigorose Strafen für diejenigen vor, die die Quarantäne verletzen. Sie werden von Militärs und Polizei in staatlich betriebene Einrichtungen überführt. Dort befinden sich bereits 2108 Menschen in Zwangsquarantäne.

Das Verfassungsgericht hatte am 8. April das repressive Vorgehen verboten und parallel dazu die Polizei und das Militär angewiesen, eine Liste der Namen der Insassen dieser »Eindämmungszentren« zu veröffentlichen. Des Weiteren sollen den Insassen Medikamente zur Verfügung gestellt und sie über die Ergebnisse ihrer Coronatests informiert werden.

Bukele rüffelte das Verfassungsgericht: »Kein Recht steht über dem Verfassungsrecht auf Leben und Gesundheit des salvadorianischen Volkes«, twitterte er am 16. April .

Menschenrechtsorganisationen, darunter auch Human Rights Watch, kritisierten Bukeles Missachtung des Gerichtsentscheides scharf. Der Jurist Javier Castro, Direktor der Stiftung für ökonomische und soziale Entwicklung, befand, Zwangseinweisungen seien nur vertretbar, wenn die Personen infiziert und somit ansteckend seien. Proteste richten sich auch gegen brutale Übergriffe durch Polizei und Militärs. So dokumentiert ein Video, welches in den sozialen Netzwerken kursiert, wie einem jungen Mann in beide Beine geschossen wurde. Zuvor soll er abgelehnt haben, einen Polizisten zu bestechen, der ihn wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Quarantäne festgehalten hatte.

Die Militarisierung des öffentlichen Lebens ist ein wesentlicher Kritikpunkt sozialer Organisationen, die dem Präsidenten ein autoritäres und unausgewogenes Krisenmanagement gegen die Ausbreitung der Pandemie in El Salvador vorwerfen. »In El Salvador gibt es durchaus Experten, Virologen, Epidemiologen, Sozialwissenschaftler. Doch die werden nicht gehört und Nayib Bukele hat immer das letzte Wort«, kritisiert die Juristin der Gesundheitsorganisation Aprocsal, Rine Abrego. Zwar wurde Anfang April die Gründung einer Expertenkommission angekündigt, die die Regierung beraten soll, doch bisher sind alle Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung des Coronavirus im Ad-hoc-Verfahren fast ausnahmslos vom Präsidenten beschlossen worden. Der inszeniert sich auch bei den Fernsehauftritten als die zentrale Entscheidungsinstanz.

Unstrittig ist, dass Nayib Bukele in El Salvador als erster Präsident in der Region mit rigorosen Maßnahmen auf die drohende Ausbreitung des Coronavirus reagierte - noch bevor es einen einzigen Todesfall gab. Am 11. März ordnete er die Schließung der Grenzen für ausländische Besucher an, rief den Ausnahmezustand aus, ließ die Schulen schließen und appellierte an seine Amtskollegen zu agieren. Das hat Bukele international positive Kritiken eingebracht. Die niedrigen Infektionszahlen von 225 Infizierten und sieben Toten gehen auf diese Maßnahmen zurück. Positiv in diesem Kontext ist auch die Entscheidung, alle Haushalte, die weniger als 250 Kilowattstunden Strom im Monat verbrauchen, mit einer Hilfszahlung von 300 US-Dollar zu unterstützen. Ein für die Region in seinem Umfang außerordentliches Sozialprogramm, von dem rund 70 Prozent der Bevölkerung profitieren.

Allerdings ist das Gesundheitssystem des Landes schlecht auf eine Pandemie vorbereitet. »Der Sparkurs der Regierung Bukele hat negative Folgen im Gesundheitssektor gezeitigt. Alarmierend ist zudem die steigende Zahl infizierter Mitarbeiter der Krankenhäuser - es fehlt an Schutzmaterialien«, so Rine Abrego. Sie befürchtet, dass mit dem Ende der Quarantäne am 28. April eine Welle von Neuinfektionen eintreten könne.

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