Mehr Gewalt gegen Sinti und Roma

Zahl antiziganistischer Straftaten 2019 erneut gestiegen / Ulla Jelpke (Linke): Großer Sensibilisierungsbedarf bei Polizei

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Zahl der antiziganistischen Straftaten ist 2019 in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr erneut gestiegen. Das ergibt sich aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion, die dem »nd« vorliegt.

In der bundesweiten Statistik wurden 2019 insgesamt 78 Straftaten dem Unterbereich »antiziganistisch« zugeordnet. 2018 waren es noch 68. Erst seit 2017 werden »antiziganistische« Straftaten separat aufgeführt. Neben sechs Körperverletzungen wurden erstmals auch zwei versuchte Tötungsdelikte registriert. Insgesamt kam es zu 18 Verletzten. Wie bereits 2018 werden nahezu alle erfassten Straftaten (insgesamt 73) dem politisch rechts motivierten Spektrum zugeordnet.

Tatsächlich dürfte die Zahl der Straftaten in diesem Bereich noch weitaus größer sein. Organisationen von Sinti und Roma gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Auch Straftaten im Internet werden in der Statistik nicht berücksichtigt. Dabei gehört »antiziganistischer Hass in fast allen Onlineformaten und auf vielen Webseiten zum Alltag«, erklärt der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Insbesondere rechtsextreme Gruppen und Akteure seien erfolgreich darin, Antiziganismus im Netz zu propagieren, Hass zu schüren Sinti und Roma zu diffamieren.

Ein vom Zentralrat zusammen mit jugendschutz.net und dem Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti erarbeiteter Recherchebericht dokumentiert mehr als 400 jugendschutzrechtlich und oft auch strafrechtlich relevante Verstöße.

»Es ist nicht hinnehmbar, dass Hetze gegen Sinti und Roma im Netz zur Norm wird und unbeantwortet bleibt«, sagt Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma. Medienanbieter und die Betreiber von Internetplattformen würden deshalb in der Pflicht stehen, antiziganistische Hetze und Gewaltaufrufe insbesondere in Kommentarspalten zu überprüfen und zu entfernen. »Auch Relativierungen und Leugnung des Holocausts müssen konsequent strafrechtlich geahndet werden«, fordert Rose.

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, zeigte sich angesichts der gestiegenen Zahlen ebenfalls besorgt: »Sinti und Roma gehören zu den meistgehassten Minderheiten in Deutschland und Europa«, sagte sie dem »nd«. Das mache die Bekämpfung antiziganistischer Straftaten zu einer langfristigen und schwierigen Aufgabe.

Jelpke fordert, Polizeibeamt*innen müssten mehr als bisher für solche Straftaten sensibilisiert werden, um diese überhaupt als solche erkennen zu können. Bislang komme das Thema Antiziganismus in der Polizeiausbildung nur am Rande vor.

Empörend findet die Politikerin auch, dass die Bundespolizei in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage »Sinti und Roma, 500 Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland, immer noch als ›Personen aus fremden Kulturkreisen‹ bezeichnet«. Eine solche Darstellung fördere Antiziganismus geradezu. »Es muss endlich in die Köpfe hinein: Sinti und Roma gehören zu Deutschland und Europa, ohne Wenn und Aber«, mahnt die Linke-Abgeordnete.

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