Jahresabo zum Wucherpreis
Warnung vor unwirksamer Verlängerungsklausel
Einmal pro Woche verlegt sie ihren Börsenbrief zum Börsenhandel mit Rohstoffen. Anfang 2019 bot die Firma auf ihrer Internetseite ein Testabonnement zum Kennenlernen an, und zwar mit drei Monaten Laufzeit zum Preis von 9,99 Euro. Dieses »limitierte Angebot für neue Leser« ende heute um 23.59 Uhr, hieß es da.
Ein Münchner Interessent bestellte am 16. Januar das Testabonnement. Die Börsenbrieffirma bestätigte den Abschluss per E-Mail, der Neukunde zahlte die 9,99 Euro. Da er jedoch nie einen Börsenbrief erhielt - so der Münchner später vor Gericht -, dachte er nicht mehr an die Kündigungsfrist.
Doch nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Firma verlängerte sich das Abonnement um ein Jahr, wenn es nicht sechs Wochen vor Ablauf des Vierteljahres gekündigt wurde. Mitte März 2019 stellte die Firma dem Münchner den Preis für ein Jahresabonnement (1298 Euro) für den Zeitraum vom 17. April 2019 bis 17. April 2020 in Rechnung. Sofort widerrief der »Kunde wider Willen« den angeblichen Vertragsschluss.
Darauf ließ sich die Firma nicht ein: Man interpretiere sein Schreiben als Kündigung zum 17. April 2020, teilte sie mit, und klagte auf Zahlung von 1298 Euro.
Darauf habe die Herausgeberin keinen Anspruch, entschied das Amtsgericht München mit Urteil vom 24. Oktober 2019 (Az. 261 C 11659/19). Denn die Verlängerungsklausel in ihrem Vertragsformular sei für den Vertragspartner überraschend und deshalb unwirksam. An sich seien solche Regelungen zwar üblich: Die Vertragslaufzeit verlängere sich automatisch, wenn nicht fristgemäß gekündigt werde. Kunden müssten aber nicht damit rechnen, dass sich das Probeaboautomatisch um die vierfache Zeit verlängere und das zum dreißig Mal höheren Preis!
So wie die Internetseite der Firma gestaltet ist, dränge sich der Eindruck auf, dass sie es darauf anlege, Interessenten unter Zeitdruck zu setzen. Potenzielle Kunden würden mit einem günstigen Testabonnement für kurzen Zeitraum »geködert«, um dann wegen der ausbleibenden Kündigung den Preis drastisch steigern zu können. Allerdings finde sich in den AGB nirgends ein Hinweis darauf, dass dann nicht mehr der Preis für das Testabonnement gelte. OnlineUrteile.de
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