- Berlin
- 1. Mai
Die Flut kommt
Verschiedene Protestaktionen am 1. Mai in Berlin-Kreuzberg angekündigt
Am 1. Mai ab 18 Uhr wird Kreuzberg »geflutet« - zumindest wenn es nach den Organisator*innen der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration geht. Statt der üblichen Großdemonstration durch den Stadtteil, die angesichts der Infektionsgefahr durch Corona zu riskant wäre, ruft das Bündnis für Freitag zu einer Versammlung »der besonderen Art« auf: »Der Beginn unserer Aktion ist kein zentraler Platz, sondern ein Gebiet. Dadurch können wir die Ansteckungsgefahr verringern und bleiben für den Repressionsapparat unkontrollierbarer«, heißt es auf der Webseite des Bündnisses.
»Wir wollen die Straßen mit unseren antirassistischen, antipatriarchalen und antikapitalistischen Inhalten fluten«, heißt es weiter. Dazu sollen sich die Protestierenden unter Einhaltung des Sicherheitsabstands und mit Schals oder Masken vermummt nach Kreuzberg begeben und auf weitere Anweisungen warten. Nach und nach werde man dann ab 18.20 Uhr im Internet Orte im Kiez bekannt geben, zu denen sich die Menschen zu einer bestimmten Uhrzeit begeben sollen. »Auf unterschiedlichen Neben- und Seitenstraßen kommen wir dorthin, werden unsere Inhalte vermitteln und uns danach zerstreuen, um uns bald wieder woanders zu begegnen.«
Mit dem Aktionskonzept will das Bündnis laut eigenen Angaben möglichst vielen Menschen ermöglichen, sich an den Protesten am 1. Mai zu beteiligen. »Ob allein mit einem Plakat, gemeinsam mit Freund*innen und Genoss*innen, in kleinen Gruppen, mit Fahrrad oder zu Fuß oder auch von Hausdächern und Balkonen aus, ihr selbst bestimmt, wie eure Aktionen aussehen.« Auch wie die Menschen ihre Botschaft verbreiten, sei ihnen selbst überlassen, »auf Tüchern, mit Transparenten, lauten Parolen und Wurfzetteln oder mit Rauchtöpfen, Sprühereien und Farbbeuteln«. Um 20 Uhr sollen dann im ganzen Kiez Feuerwerke gezündet werden.
»Der 1. Mai ist und bleibt - trotz Corona - ein wichtiger Tag, um mit unserem Anliegen, eine solidarische Welt zu erkämpfen, auf die Straße zu gehen«, sagt Marco Lorenz von der Radikalen Linken Berlin, die Teil des Bündnisses ist, zu »nd«. »Wir geben aufeinander Acht und lassen uns trotzdem das Recht nicht nehmen, gemeinsam auf die Straße zu gehen«, so Lorenz. Dies sei jedoch durchaus mit der Gefahr von Repressionen verbunden, so das Bündnis. Seit Beginn der Coronakrise würden unter dem Vorwand des Infektionsschutzes vielerorts politische Proteste unterdrückt.
Erst am Sonntag hatte die Polizei in Berlin 16 Fahrraddemos aufgelöst, an denen sich mehr als 200 Personen beteiligt haben sollen. Unter dem Motto »Leave No One Behind« hatten sie sich für die Schließung der Lager auf den griechischen Inseln und die Aufnahme von Geflüchteten eingesetzt. Gegen 210 von ihnen wird laut Polizei nun ermittelt. Ansammlungen von mehr als 20 Menschen sind laut Covid-19-Eindämmungsverordnung verboten. Das Bündnis rät daher: »Bleibt stets in Bewegung.«
Auch am 1. Mai liegt der politische Schwerpunkt auf der Lage an den europäischen Außengrenzen. So fordert das Bündnis die Evakuierung des Flüchtlingslagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos. In dem für 3000 Menschen ausgelegten Camp leben derzeit mehr als 20 000 Menschen unter katastrophalen hygienischen Bedingungen. Auch Massenunterkünfte in Deutschland müssten wegen des hohen Ansteckungsrisikos aufgelöst und die Menschen dezentral untergebracht werden.
Das Revolutionäre 1.-Mai-Bündnis ist nicht das einzige, das für Freitag zu Aktionen aufruft. So wird auf der linksradikalen Plattform indymedia zu einer Demonstration um 13 Uhr auf dem Kreuzberger Oranienplatz aufgerufen, um gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu demonstrieren. Der DGB hatte zuvor alle Demonstrationen abgesagt. Und auch im Villenviertel Grunewald soll es in diesem Jahr wieder Aktionen geben. So will das Bündnis myGruni in dem »Problembezirk« einen Autokorso sowie eine Kundgebung mit 20 Leuten veranstalten und die Aktionen live im Internet übertragen. In den vergangenen zwei Jahren war die Satire-Demo mit mehreren Tausend Menschen durch das Villenviertel gezogen, um gegen Verdrängung zu protestieren.
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