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  • Prozess zur Fußball-WM 2006

Desaströses Ende des Sommermärchens

Der Prozess zur Fußball-WM 2006 ist ohne Urteil zu Ende gegangen. DFB-Präsident Fritz Keller muss die Suche nach der Wahrheit übernehmen

  • Tobias Schwyter
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Sommermärchen-Prozess in der Schweiz ist Geschichte, doch die Nachwehen der Gerichtsposse, die am Montag in der Verjährung endete, sind es noch lange nicht. Und diese dürften für die eidgenössische Justiz heftig ausfallen. Der international beachtete Prozess um dubiose Millionenzahlungen vor der Fußball-WM 2006 sollte ein Prestigefall für die Schweizer Ermittler werden, zurück bleibt ein Debakel aus unsauberer Arbeit und Verstrickungen mit FIFA-Boss Gianni Infantino.

»Ich halte das für eine schwerwiegende Schlappe für die Schweizer Strafjustiz«, sagte der Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth der »Neuen Zürcher Zeitung«. Offiziell verhinderte die »außerordentliche Lage wegen der Coronavirus-Pandemie« einen Urteilsspruch des Bundesstrafgerichts in Bellinzona gegen die früheren DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach, den einstigen DFB-Generalsekretär und -Schatzmeister Horst R. Schmidt sowie den ehemaligen FIFA-Generalsekretär Urs Linsi. Doch schon zuvor war zu viel schiefgelaufen.

Dem Funktionärsquartett war vorgeworfen worden, über den eigentlichen Zweck einer Zahlung aus dem Jahr 2005 in Höhe von 6,7 Millionen Euro vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) an den Weltverband FIFA getäuscht zu haben. Dass die Wahrheit über diese Geldsumme ans Licht kommt, die schon im Jahr 2002 von Franz Beckenbauer als Chef des Organisationskomitees der WM an den später lebenslang wegen Korruption gesperrten FIFA-Funktionär Mohamed bin Hammam aus Katar gezahlt wurde, war aber ohnehin unwahrscheinlich. Schließlich spielten die beiden Schlüsselfiguren Beckenbauer und bin Hammam bei dem Prozess gar keine Rolle mehr.

»Doch anstatt die Reißleine zu ziehen und das Verfahren einzustellen, hat man vier Statisten ins Visier genommen«, kritisierte Pieth, der von 2011 bis 2013 der FIFA-Reform-Kommission vorgestanden hatte. Die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA), die das am 6. November 2015 eröffnete Verfahren erst über vier Jahre später zur Anklage brachte, habe versucht, »diesen Nebendarstellern trotz dünner Beweislage einen Strick zu drehen, ohne aber vom Fleck zu kommen«. DFB-Präsident Fritz Keller sieht sich nach dem Schweizer Debakel gezwungen, die Suche nach der Wahrheit selbst in die Hand zu nehmen.

Die Schweizer Justiz hat jedoch ganz andere Probleme. So kamen drei nicht protokollierte Geheimtreffen von Bundesanwalt Michael Lauber mit FIFA-Präsident Gianni Infantino ans Licht. Der Weltverband trat wie der DFB im Sommermärchen-Komplex als Privatkläger auf, insgesamt hat die BA seit 2015 in rund zwei Dutzend Fußballverfahren ermittelt. Längst ist in der Schweiz von einem Justizskandal die Rede. Schon im vergangenen Jahr hatte das Bundesstrafgericht Lauber deshalb für befangen erklärt, er musste die Leitung sämtlicher Ermittlungen mit Fußballbezug abgeben. Im Laufe des nie richtig in Gang gekommenen Sommermärchen-Prozesses teilte das Gericht dann mit, dass »Umstände« zu Tage gekommen seien, »die umfassende Beweisverwertungsverbote zur Folge haben könnten«. Auch dies dürfte auf Laubers Geheimtreffen zurückgehen.

Doch damit nicht genug: So berichtete der »Spiegel« am Montag auf Basis von E-Mails aus den Football-Leaks-Enthüllungen, dass Infantino über seine Verbindungen zur BA versucht haben soll, auf Ermittlungen gegen die Europäische Fußball-Union (UEFA) wegen eines dubiosen TV-Deals Einfluss zu nehmen. Infantino hatte den umstrittenen Vertrag mit südamerikanischen Rechtehändlern zu seiner Zeit als UEFA-Generalsekretär unterschrieben. Das Verfahren der BA richtete sich dann aber gegen »Unbekannt« - nicht gegen Infantino.

Durch die ungeheuerlichen Vorwürfe steht die Glaubwürdigkeit der Schweizer Justiz auf dem Spiel. »Das kann den Ruf der Schweiz nachhaltig schädigen«, fürchtet der Strafrechtsexperte Pieth. SID/nd

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