• Berlin
  • Geflüchtete und Corona

Raus aus den Massenunterkünften

10-Punkte-Plan eines breiten Bündnisses fordert Lösungen für Flüchtlinge und Obdachlose

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das Land Berlin muss Ferienwohnungen und Business-Apartments anmieten«, findet Nora Brezger vom Flüchtlingsrat Berlin. »Es verfügt bei Berlinovo über 7000 Wohnungen, die es auf Zeit vermietet und von denen aktuell etliche leerstehen«, so Brezger weiter. Die Beraterin und Aktivistin will endlich eine Lösung für die ohnehin ständige Unterbringungskrise, die in Zeiten von Corona zu einem »absolut lebensgefährdenden Zustand« werde. Deswegen hat der Flüchtlingsrat gemeinsam mit anderen Organisationen und Initiativen einen 10-Punkte-Plan erstellt, den sie am Mittwoch in einem Online-Podium gemeinsam mit der Senatorin für Integration und Soziales, Elke Breitenbach (Linke), diskutierten.

Hintergrund ist die Unterbringung von wohnungslosen und geflüchteten Menschen in Massenunterkünften. Drei- und Vierbettzimmer, Gemeinschaftsküchen und -bäder: Insgesamt sind in Berlin mindestens 50 000 Menschen so untergebracht, dass sie einen Großteil der für die Eindämmung der Pandemie geltenden Hygieneregeln nicht einhalten können. Drei solcher Unterkünfte, zwei davon mit über 400 Bewohner*innen, waren in den vergangenen Wochen komplett unter Quarantäne gestellt worden, weil einzelne Bewohner*innen positiv auf das Coronavirus getestet worden waren.

»Die Unterbringung ist unzumutbar und nicht hinnehmbar. Wir brauchen jetzt sofort eine Task Force«, fordert Brezger. Für das breite Bündnis, in dem unter anderem die Selbstvertretung wohnungsloser Menschen, die Berliner Obdachlosenhilfe, der Flüchtlingsrat Berlin und die Initiative selbstorganisierter Flüchtlinge We’ll Come United vertreten sind, reichen die bisherigen Maßnahmen längst nicht aus, um die große Anzahl von besonders gefährdeten Menschen zu schützen. Sie fordern einen Krisenstab, der unter anderem für Einzelunterbringungen sorgen soll, die auch die Möglichkeit zur individuellen Quarantäne gewährleisten - statt wie bisher Hunderte Menschen entweder der Ansteckungsgefahr auszusetzen oder ebenfalls zu isolieren. Die Menschen würden aus Angst vor Massenquarantäne bereits aus den Unterkünften flüchten, berichtet Bijan Sabbagh von We’ll Come United.

Auch die Aufrechterhaltung der Kältehilfe-Angebote wird vom Bündnis gefordert. »Wir haben eine kleine Struktur, die wohnungslose Frauen in der Coronakrise wirksam unterstützen kann, warum wird unsere Einrichtung jetzt zum 1. Mai geschlossen?«, fragt Alexandra Frank, die in der Notübernachtung für wohnungslose Frauen in der Großbeerenstraße arbeitet. Zehn Frauen statt wie sonst 17 sind dort zur Zeit untergebracht. Frank findet, es mangele an politischem Willen, Menschen wie diese Frauen zu beschützen, wenn man zulasse, dass sie auf die Straße zurückkehren müssten, wo sie neben der Ansteckung auch noch weiteren Gefahren wie Gewalt ausgesetzt seien.

Die Sozial- und Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) will das so nicht auf sich sitzen lassen. In den vergangenen Wochen hatte sie Unterkünfte anmieten und herrichten lassen, in denen obdachlose Menschen in der Coronakrise unterkommen können, wenn etwa die Bezirke die Kältehilfe-Versorgung einstellen. In dieser Woche soll auch die Quarantäne-Unterkunft in der Lehrter Straße öffnen. »Ich wehre mich gegen den Vorwurf, ich hätte nicht den politischen Willen, Menschen zu beschützen«, sagt Breitenbach bestimmt. Sie findet einige der Forderungen zwar richtig, will aber keinen neuen Krisenstab ins Leben rufen: »Wir haben in den vergangenen Jahren die Wohnungslosenkonferenzen aufgebaut und Strukturen, die arbeiten, die müssen wir nun in der Krise hochziehen«, so die Senatorin.

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