Spielcasino Krankenhaus-Markt

Mitten in der Coronakrise geht der Streit um die Übernahme des Privatklinikkonzerns Rhön AG in die entscheidende Phase

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Krankheit ist ein gutes Geschäft. Und eines mit Zukunft: 2030 werden die Industriestaaten voraussichtlich bis zu einem Zehntel des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Gesundheitskosten aufwenden. Nach Berechnungen der OECD ein Zuwachs von rund 15 Prozent. Damit würden die Gesundheitsausgaben in den Industriestaaten schneller wachsen als deren Wirtschaft insgesamt. In der Bundesrepublik betrug der Anteil am BIP bereits über elf Prozent - vor Corona.

Vor diesem Hintergrund versuchen die größten privaten Krankenhausbetreiber, Asklepios und Fresenius, seit längerem, ihre Marktanteile weiter zu erhöhen. Nun ist ein offener Streit um die Rhön-Klinikum AG ausgebrochen. Das Unternehmen aus dem fränkischen Bad Neustadt zählt ebenfalls zu den großen Gesundheitsdienstleistern, mit besten Verbindungen zu Forschungseinrichtungen. An fünf Standorten wie Bad Berka in Thüringen, Frankfurt (Oder) und an der einzigen privatisierten Uniklinik in Deutschland, in Gießen, werden pro Jahr über 800 000 Patienten behandelt.

Das Tauziehen um das Unternehmen zieht sich bereits seit Jahren hin. Da ist Rhön-Firmengründer Eugen Münch, der offenbar nicht das Kapital besitzt, um Rhön ganz nach oben zu puschen und nun Kasse machen will. Der Medizintechnik-Hersteller B. Braun Melsungen, Großaktionär bei Rhön, will den Verkauf an Asklepios aber verhindern. Mit Spannung wird erwartet, ob Asklepios bei der Jahrespressekonferenz am Donnerstag neben den aktuellen Geschäftszahlen auch ein neues Übernahmeangebot vorlegt.

B. Braun Melsungen hat derweil einen Teilerfolg erzielt: Am Mittwochabend lenkte der Rhön-Vorstand ein und berief eine außerordentliche Hauptversammlung für Anfang Juni ein. Braun will dort sechs Aufsichtsräte, darunter Firmengründer und Aufsichtsratschef Münch abberufen lassen. Zudem fordert der Großaktionär eine Sonderdividende von zwei Euro je Aktie, insgesamt rund 130 Millionen Euro. Ferner will sich das mit gut 25 Prozent an Rhön-Klinikum beteiligte hessische Familienunternehmen eine Sperrminorität verschaffen, indem alle Beschlüsse nur noch mit einer Mehrheit von 75 Prozent gefällt werden dürfen.

Das kann dem Asklepios-Konzern, der seit kurzem eine knappe Mehrheit am börsennotierten Rhön-Klinikum hält, nicht gefallen, da er seine Machtstellung einzubüßen droht. Anfang April hatte Asklepios seine Pläne konkretisiert: Angestrebt wird ein Gemeinschaftsunternehmen Asklepios/Münch. Damit könnten die beiden Großaktionäre das lange Tauziehen beenden, wobei Asklepios letztlich siegen wird.

Aus Verbrauchersicht drohen im Falle einer Übernahme zumindest regionale Oligopole. Der Trend zu immer größeren, spezialisierten Krankenhäusern mag medizinisch sinnvoll sein, lässt aber Patienten kaum noch eine Wahl zwischen den Tempeln der Götter in Weiß. So ist etwa in Hamburg die erst 2004 aus einer Privatisierung der öffentlichen Krankenhäuser hervorgegangene Asklepios heute der Platzhirsch. Weit mehr als die Hälfte aller Rettungseinsätze enden nach Firmenangaben in deren Notaufnahmen. Mit mehr als 14 000 Beschäftigten ist die Krankenhauskette zudem der größte Arbeitgeber in der Stadt. Und bundesweit ist Asklepios mit rund 160 Gesundheitseinrichtungen nach der Fresenius-Tochter Helios bisher die Nummer zwei unter den Klinikbetreibern. Rhön-Klinikum liegt hinter den Sana-Kliniken auf Platz vier.

»Auf dem Krankenhausmarkt geht es mittlerweile zu wie im Spielcasino«, schimpft Verdi-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler über die neuesten Volten im Übernahmepoker. »Da versuchen ein paar schwerreiche Männer seit Jahren, sich gegenseitig auszutricksen und die Hoheit über Krankenhäuser zu sichern.« Rhön-Gründer Münch ist 75 Jahre alt, sein Partner Bernhard große Broermann (Asklepios) wie auch Kontrahent Ludwig Braun 76 Jahre.

Begonnen hatte die Auseinandersetzung 2012. Münch wollte damals sein Rhön-Klinikum an Fresenius verscherbeln. Broermann und Braun verbündeten sich und stiegen bei Rhön ein, um den Aufstieg von Fresenius zu stoppen. Fresenius gelang es trickreich und hart am Rande des Aktienrechts dennoch, die meisten Krankenhäuser von Rhön zu kaufen.

Die Vorgänge zeigen, so Verdi, wie sehr das Gesundheitswesen von der Politik für Profitstreben und Spekulationen geöffnet wurde. Damit müsse Schluss sein, verlangt auch die Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik. Die linken Ökonomen fordern im Zuge der Coronakrise »ein Abrücken von der Marktorientierung und der Wettbewerbslogik« im Gesundheitssystem.

Unterm Strich steckt viel Geld hier drin. Doch trotz des recht guten Versorgungsangebotes liegt Deutschland bei wichtigen Gesundheitsindikatoren wie vermeidbarer Sterblichkeit weit hinter der globalen Spitze zurück.

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