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Das Geld kommt nicht an
Verzögerte Schecks, unklare Bedingungen: US-Coronahilfspaket wirkt erst teilweise
Die Vereinigten Staaten haben bisher über 2,5 Billionen US-Dollar für wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen während der Coronavirus-Pandemie bereitgestellt. Aber bisher haben nur wenige US-Amerikaner etwas von diesem Geld gesehen. Das Versagen der Regierung in dieser Frage relativiert für viele sogar die fehlerhaften Webseiten bei der Einführung der Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama 2013.
Das Paycheck Protection Program (PPP), das in der ersten Runde der Sofortmaßnahmen im März geschaffen wurde, sollte etwa kleinen Unternehmen helfen, 2,5 Monatsgehälter mit Krediten abzudecken, die unter Umständen nicht zurückgezahlt werden müssten. Dem Programm ging das Geld innerhalb von zwei Wochen aus. Hinzu kam die Ungerechtigkeit, dass nach Medienberichten auch große Unternehmen PPP-Mittel erhalten hatten.
In den vergangenen Wochen kündigten dann mehrere dieser Akteure an, dass sie die erhaltenen Gelder zurückgeben würden, darunter die Basketballmannschaft der Los Angeles Lakers mit einem Unternehmenswert von umgerechnet 4,02 Milliarden Euro, die Fastfood-Kette Shake Shack mit mehr als 1,83 Milliarden Euro oder der Ölkonzern DMC Global aus Colorado mit einem Börsenwert von 347 Millionen Euro.
Einige der Firmen fragen, warum sie die Mittel überhaupt erhielten. »Wir sind der Ansicht, dass zu dem Zeitpunkt, als das Geld geliehen wurde, die Vorgaben der PPP-Gesetzgebung vollständig eingehalten wurden«, erklärte DMC Global. Nach Ausreichung der Darlehen stellte die Small Business Administration (US-Bundesbehörde zur Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen - d. Red.) fest, dass öffentliche Unternehmen möglicherweise gar nicht für das Programm infrage kommen.
Der Kongress verabschiedete dann im April ein zweites Konjunkturpaket. Darin enthalten waren umgerechnet 55 Milliarden Euro für kleine Kreditgeber, die kleine Unternehmen bedienen. Die Website des Programms, E-Tran genannt, stürzte innerhalb weniger Stunden nach der Wiedereröffnung des Programms am Montag, dem 20. April, ab.
»Nachdem sie unermüdlich daran gearbeitet hatten, sich auf die zweite Runde der PPP-Finanzierung für ihre Kunden und Gemeinden vorzubereiten, sahen sich die meisten kommunalen Banken immer wieder aus dem E-Tran-System hinausgeworfen«, sagte die Präsidentin der Independent Community Bankers of America, Rebeca Romero Rainey. »Es ist inakzeptabel, dass Gemeinschaftsbanken ausgesperrt werden, wenn ihre Kunden sie am meisten brauchen.«
Aber auch diejenigen, die das Geld erhielten, waren nicht unbedingt glücklich. PPP-Darlehen werden nur mit einem Zinssatz von einem Prozent verzinst. Die Regierung hat sich verpflichtet, Darlehen zu vergeben, mit denen die Arbeitnehmer bezahlt werden. Die Vertragsbedingungen hatte sie aber noch gar nicht veröffentlicht, so dass auf die Darlehensnehmer möglicherweise noch eine böse Überraschung wartet. Viele Arbeitnehmer wollen auch gar nicht an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, vor allem, wenn sie Arbeitslosengeld erhalten, das während der Pandemie aktuell einen Bonus von 547 Euro beinhaltet.
»Wir sehen viele Unternehmen, die wegen Personalmangel nicht in der Lage sind, wieder zu öffnen. Viele können ihre Mitarbeiter nicht dazu bewegen, wieder zu arbeiten, weil die Menschen durch die Arbeitslosigkeit zusätzlich 600 Dollar erhalten und somit mehr Geld haben, wenn sie nicht arbeiten, als wenn sie gearbeitet hätten«, sagte Steven Thebedo, Mitgesellschafter einer alteingesessenen Steuerberatungskanzlei im US-Bundesstaat Massachusetts.
Aber das Durcheinander bei den PPP-Darlehen ist nicht das einzige Desaster in der staatlichen Förderpolitik aus Anlass der Coronakrise. Etwa die Hälfte der US-Amerikaner, die für wirtschaftliche Ausgleichszahlungen (Economic Impact Payments) infrage kommen, haben ihre Schecks erhalten, seit US-Präsident Donald Trump Ende März die erste Runde der Nothilfegesetze unterzeichnet hat, so die amerikanische Steuereinzugsbehörde Internal Revenue Service (IRS). Die Zahlungen belaufen sich auf umgerechnet 1095 Euro pro Erwachsenen plus 450 Euro pro Kind.
Jedoch warten zugleich noch Dutzende Millionen auf ihre Auszahlung. Am Ende der Schlange stehen besserverdienende Steuerzahler. Andere erhalten ihre IRS-Steuerrückzahlungen nicht direkt auf ihr Bankkonto. Sie sollen einen Scheck per Post erhalten.
Nun kann die US-Regierung jedoch nur fünf Millionen Schecks pro Woche drucken, so dass einige dieser wertvollen Dokumente möglicherweise erst im August eintreffen werden. Präsident Donald Trump bestand darauf, dass auch sein Name auf den Schecks gedruckt wird - ein Novum in der Geschichte der USA. Das verzögerte den Druck um etwa eine Woche. Wenn Bürger ihre Adresse seit der letzten Steuererklärung geändert haben, müssen auch sie länger auf einen neuen Scheck warten.
Andere US-Amerikaner sind obdachlos und haben zwar Anspruch auf einen Scheck, aber keine Adresse. Einige sprechen kein Englisch. Die IRS arbeitet derzeit an einer spanischsprachigen Website, die helfen soll, ein Bankkonto oder eine Adresse zu registrieren, um Zahlungen zu erhalten. »Die IRS arbeitet hart daran, neue Wege für Menschen zu finden, die keine Anmeldepflicht haben, um ihre Economic Impact Payment zu erhalten«, versuchte IRS-Kommissar Chuck Rettig zu beruhigen.
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