Hunger Games in der Krise

Warum Donald Trump und die US-Republikaner die »Wirtschaft wieder öffnen« wollen

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 5 Min.

Viele andere westliche Länder unterstützen in der Krise abhängig Beschäftigte mit Extra-Sozialleistungen, die USA gehen dagegen wieder einmal den Weg des »American Exceptionalism«, im schlechten Sinne. Donald Trump, die US-Republikaner und mit Gewehren bewaffnete rechte Demonstranten vor den Staatsparlamenten in demokratisch regierten Bundesstaaten wollen die vergleichsweise sanften Corona-Beschränkungen wieder aufgeben. Sie wollen die Wirtschaft »wieder öffnen«. Doch obwohl das Land noch nicht »über den Berg« ist, ist dieses Verhalten nicht irrational oder »verrückt«, wie ein oberflächlicher Blick von außen vielleicht vermuten ließe. Es ist Klassenkampf von oben.

Unausgesprochen geht es um Machtpolitik zwischen Arbeit und Kapital, um die Sicherung gesellschaftlicher Dominanz. Dass es derzeit überall in den USA durch Beschäftigte zu wilden Streiks für besseren Arbeitsschutz in der Coronavirus-Pandemie kommt, die nun nicht Angst haben gefeuert zu werden, wenn sie streiken, sondern zu sterben, wenn sie einfach so weiterarbeiten, ist die eine Seite der Medaille. Die andere sind Unternehmer - ob klein oder groß - die wollen, dass ihre Beschäftigten und Amerikas neue Dienerkaste in den prekären Jobs der Gig-Ökonomie oder die Arbeiter in den Fleischfabriken, die Donald Trump per Verordnung wieder an ihre eng gedrängten Arbeitsplätze schicken will, gefälligst weiterarbeiten.

Dazu brauchen Amerikas Unternehmer und ihre politischen Handlanger die – wie die langen Schlangen vor den Lebensmitteltafeln überall in den USA zeigen - gerade jetzt wieder präsente Drohung zu verhungern gegen jene, die ihre Arbeitskraft verkaufen müssen. Um die Drohkulisse aufrecht zu erhalten, müssen die Sozialleistungen auch in der Coronapandemie möglichst niedrig bleiben. Dafür gibt es guten Grund: Wenn der Staat in der Krise zeigt, dass er hilft, wenn der Sozialstaat effektiv ist, würden diejenigen, die in der Pandemie Hilfe erhalten, sich auch nach Ende der Pandemie daran erinnern. Das wollen Amerikas Unternehmer und die Republikaner mit allen Mitteln verhindern.

Die Gefahr dieses Erinnerns besteht. Wie es dazu kam? Die Demokratischen Senatoren haben, vor allem auf Betreiben von Bernie Sanders, im Austausch für weitgehend voraussetzungslose Hilfsgelder für US-Großunternehmen in das dritte Coronavirus-Hilfspaket Extra-Arbeitslosengelder in Höhe von 600 Dollar pro Woche »hineinverhandelt«. Das wird zusätzlich zum normalen wöchentlichen Arbeitslosengeldz der Bundesstaaten gezahlt. Dies hat nun paradoxerweise dafür gesorgt, dass einige Arbeiter nun über mehr Geld als vor der Pandemie verfügen, weil der aktuelle Mindestlohn und die Löhne allgemein so niedrig sind. Ein Bericht aus Michigan etwa zeigen, dass manche Metallarbeiter lieber die bis Juli verfügbaren Extra-Arbeitslosengelder nehmen, als jetzt schon zur Arbeit zurückzukehren. Laut Berechnungen des Ökonomen Ernie Tedeschi sind die kombinierten Arbeitslosengelder in 38 Bundesstaaten genau so hoch oder höher als die vorherigen Löhne der betroffenen Beschäftigten, die wegen der Pandemie ihren Job verloren haben.

Wie in anderen westlichen Staaten könnte also die nicht notwendige Arbeit eingestellt werden, durch Sozialleistungen gestützt könnten das Land und seine Arbeiter die Pandemie »aussitzen«, bis diese unter Kontrolle ist. Mit entsprechender Hilfe würde es damit nicht nur der Mittelschicht, die im Homeoffice in der Jogginghose von zu Hause aus weiterarbeitet, nicht allzu schlecht gehen. Laut Umfragen unterstützt eine große Mehrheit die eher sanften Corona-Beschränkungen, die rechten Öffnungsbefürworter sind, wie auch die Unternehmer grundsätzlich, gesellschaftlich eine kleine Minderheit.

Die Republikaner machen sich derzeit daran diese Mehrheit auszuhungern. Schon jetzt machen es viele republikanisch regierte Bundesstaaten abhängig Beschäftigten mit bürokratischen Hürden möglichst schwierig, die Extra-Arbeitslosengelder zu erhalten. Laut einer Umfrage von Ende April erhielten im März – damals begann die Corona-Arbeitslosenwelle - 70 Prozent der neuen Corona-Arbeitslosen das neue Extra-Arbeitslosengeld nicht.

Teil dieser Aushungerungsstrategie ist auch die Position von Mitch McConnell, republikanischer Mehrheitsführer im US-Senat, zu weiteren Corona-Hilfsgeldern. Er hat mit den bisherigen Hilfspaketen großzügige Hilfen in Billionenumfang für US-Unternehmen erreicht, weswegen er sich nun schmallippig gegenüber weiterer Unterstützung für Menschen zeigt. Bundesstaaten könnten doch einfach die Pleite beantragen, wenn ihnen die Krisenbewältigung zu teuer wird.

Für die nun anstehenden Verhandlungen über ein weiteres Corona-Hilfspaket hat er stattdessen angekündigt, er wolle keinem Hilfspaket zustimmen, das nicht Amerikas Unternehmen von ihrer Verantwortung für mögliche Coronavirus-Schadensersatzansprüche befreit, etwa von Arbeitern, die trotz Covid19-Erkrankung gezwungen wurden, weiter zu arbeiten. Hilfe für Mieter? Extra-Geld für Pfleger und Krankenhauspersonal? Das könne man sich nicht leisten, erst müsse die Wirtschaft wieder eröffnet werden. Anders gesagt: Weiterarbeiten, ihr Bauern!

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