An der langen Leine

Der Bund überlässt den Ländern unter Auflagen die Verantwortung für die Anti-Corona-Maßnahmen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Nach diversen Länder-Alleingängen in Sachen Lockerungen in den vergangenen Tagen haben sich am Mittwoch Bund und Länder über das weitere Vorgehen sowie ein bundesweites Zurückfahren der coronabedingten Beschränkungen verständigt - und einen Mechanismus beschlossen für den Fall, dass die Anzahl der Neuinfektionen wieder massiv steigen sollte.

Demnach sollen künftig die Bundesländer die Verantwortung für weitere Lockerungen der Corona-Beschränkungen übernehmen; sie müssen aber garantieren, dass sofort zu strengen Einschränkungen zurückgekehrt wird, sollten in Landkreisen oder kreisfreien Städten mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen auftreten. In der Schalte der Ministerpräsidenten der Länder und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe es heftige Diskussionen über diesen Punkt gegeben, berichtet dpa unter Berufung auf Teilnehmerkreise, die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen hätten diese Obergrenze nicht akzeptieren wollen. Am Ende habe sich die Kanzlerin mit ihrem Vorschlag jedoch durchgesetzt. Darüber hinaus einigten sich Merkel und die Länderchefs auf zahlreiche Lockerungen. »Wir gehen einen mutigen Weg«, erklärte Merkel nach den Beratungen. »Wir können uns ein Stück Mut leisten, aber wir müssen vorsichtig bleiben.« Deshalb sei ein »Notfallkonzept« für den Fall neuer Corona-Ausbrüche auf Landkreisebene beschlossen worden.

Wie Bund und Länder beschlossen haben, gelten zwar bis zum 5. Juni weiterhin Kontaktbeschränkungen, doch dürfen sich künftig wieder Angehörige von zwei Haushalten treffen, zum Beispiel zwei Familien, zwei Paare oder Mitglieder aus zwei Wohngemeinschaften. Der Sicherheitsabstand von 1,50 Metern zueinander ist dabei einzuhalten - wie überhaupt für alle Lockerungsmaßnahmen die Hygiene- und Abstandsregeln zu beachten sind.

Auch die Patienten und Bewohner von Kliniken, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen erhalten die Möglichkeit zu mehr Kontakt, jedem Betroffenen soll wiederkehrender Besuch durch eine bestimmte Person ermöglicht werden. Für Schüler und Vorschulkinder soll es möglich sein, vor dem Sommer noch mindestens einmal in die Schule oder in die Kita zu gehen. Wie das zu bewerkstelligen ist, obliegt den Ländern. Gleiches gilt für die schrittweise Öffnungen der Gastronomie. Bundeseinheitlich hingegen dürfen alle Geschäfte in Deutschland wieder öffnen, die Quadratmeterbegrenzung der Verkaufsfläche, die ohnehin bereits in einigen Bundesländern gekippt worden war, fällt weg.

Auch für Sportler und Fußballfans endet die Zeit der Enthaltsamkeit: Im Breiten- und Freizeitsport wird der Trainingsbetrieb im Freien wieder erlaubt, wenn der Sport kontaktfrei ausgeübt werden kann. Die Fußballbundesliga darf die unterbrochene Saison ab der zweiten Maihälfte mit Geisterspielen fortsetzen.

Bei der Linken stoßen die Verabredungen zum Teil auf Kritik. So moniert Simone Oldenburg, Vorsitzende der Linksfraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern: »Während die Lobbyarbeit in Bereichen der Wirtschaft offenbar prima klappt, bleibt weiterhin unklar, wie es mit den Familien und Kindern weitergehen soll.« Väter, Mütter, Kinder und Jugendliche tappten weiter im Dunkeln, wann Kitas wieder öffneten und die Schulen ihren regulären Betrieb wieder aufnähmen. »Das ist unverantwortlich gegenüber den Eltern und besonders den Kindern und Jugendlichen, die ein Recht auf gute Bildung und Förderung haben.« Und Lorenz Gösta Beutin, Linke-Abgeordneter im Bundestag, betont, dass Deutschland einen historischen Moment durchlebe, der die gesamte Gesellschaft auf die Probe stelle. Für seine Partei gelte weiterhin, dass niemand in der Krise zurückgelassen werden dürfe. nd/Agenturen

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