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Mit Winkelzügen an den Abgrund
Stephan Fischer zur »Nicht«-Wahl am kommenden Sonntag in Polen
Die Wahlzettel für die polnische Präsidentschaftswahl gab es bereits - eine gesetzliche Grundlage für die Wahl bis Donnerstag nicht. Jetzt gibt es das Gesetz - und die Wahlzettel können vernichtet werden. Was im Kleinen wie eine Posse wirkt, zeigt sich im Großen als tragisch. Diese Wahlen liegen seit Beginn in einer Sphäre, in der das Recht nur zählt, so weit es zurechtgebogen werden kann. Die Wahlen am Sonntag sollen mit Vorsatz ungültig werden, indem man sie ausfallen lässt, weil die Verfassung eine so kurzfristige Verschiebung nicht hergibt. Vielleicht haben der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński und sein Verhandlungspartner Jarosław Gowin kurz gezuckt - der 3. Mai als Nationalfeiertag, an dem sich Polen für die älteste moderne Verfassung Europas feiert, ist schließlich nicht lange her. Immerhin haben sie die Verfassung noch in ihren Winkelzug einbezogen.
Auf der juristischen Ebene urteilen letztendlich Richter über die Legitimität von Wahlen. Sowohl das Verfassungsgericht als auch das Oberste Gericht wurden in den letzten Jahren bei »Justizreformen« umbesetzt. Die Präsidentin des Obersten Gerichts, Małgorzata Gersdorf, die sich der Einflussnahme der PiS lange widersetzte, ging im April in den Ruhestand. Kaczyński wollte die Wahlen um jeden Preis; vielleicht war dieser Preis am Ende auch für ihn zu hoch. Er hat noch die Macht, um mit Tricks seinen Willen durchzusetzen - aber wie legitim scheint diese Wahl denn noch den Wählern?
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