Baden-württembergische Grüne wollen kompletten Bruch mit Palmer

Tübinger Oberbürgermeister widersetzt sich Forderung nach Parteiaustritt

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Das Verhältnis zwischen den Grünen und ihrem eigenwilligen Kommunalpolitiker Boris Palmer ist vollends zerrüttet. Der Landesvorstand der baden-württembergischen Grünen forderte den Tübinger Oberbürgermeister am Freitagabend zum Parteiaustritt auf. Palmer ließ seine Partei aber umgehend wissen, dass er dieser Aufforderung nicht folgen werde. Er sieht sich als Opfer erfundener Vorwürfe seiner Gegner.

Der Grünen-Landesvorstand begründete seine Aufforderung damit, dass sich Palmer mit seinen Äußerungen gegen politische Werte und Grundsätze der Partei stelle und »systematisch« gegen sie agiere. Palmers Auftritte dienten »nicht der politischen oder innerparteilichen Debatte, sondern der persönlichen Profilierung«.

In einer Erklärung hieß es: »Der Landesvorstand missbilligt zutiefst dieses politische Agieren und distanziert sich deutlich von Boris Palmer.« Der Vorstand behalte sich zudem ein Parteiordnungsverfahren vor.

Palmer will sich den Forderungen seiner Partei aber nicht beugen. »Selbstverständlich trete ich nicht aus meiner Partei aus«, sagte Palmer der »Bild«-Zeitung. »Ich bleibe weiterhin aus ökologischer Überzeugung Mitglied der Grünen. Da die Vorwürfe gegen mich von meinen Gegnern erfunden beziehungsweise konstruiert worden sind, gibt es überhaupt keinen Grund, darüber nachzudenken.«

Palmer hatte in den vergangenen Jahren immer wieder mit Äußerungen für Empörung innerhalb und außerhalb der Partei gesorgt. Zuletzt sagte er in einem Interview zu den Schutzmaßnahmen in der Corona-Krise: »Ich sag es Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären - aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen.« Die Grünen-Bundesspitze distanzierte sich daraufhin deutlich von Palmer.

Die baden-württembergische FDP machte Palmer hingegen nun ein Aufnahmeangebot. »Bei uns in der FDP Baden-Württemberg ist Boris Palmer herzlich willkommen«, sagte der Landesvorsitzende Michael Theurer der »Bild am Sonntag«. Die Liberalen seien »eine Heimat für kritische Köpfe«.

»Wir halten das aus, wir kämpfen für Meinungsfreiheit«, sagte Theurer. Der FDP-Landeschef nannte Palmer einen »streitbaren, klugen Kopf, der manchmal über das Ziel hinausschießt, nicht immer den richtigen Ton trifft, aber auch zur Einsicht fähig ist und den Diskurs der unterschiedlichen Meinungen sucht.«

Unterstützung bekam Palmer auch von dem früheren SPD-Politiker Thilo Sarrazin, der ebenfalls seit Jahren mit seiner Partei im Streit liegt. Offensichtlich sei, dass die Grünen Palmer mehrheitlich schon länger nicht mehr mögen würden, sagte Sarrazin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. »Jetzt sehen viele einen willkommenen Anlass, in Bezug auf Boris Palmer 'reinen Tisch' zu machen.«

Palmers Äußerungen zu den Corona-Kranken entsprächen »in etwas gröberer Form etwa dem, was Wolfgang Schäuble etwas abstrakter geäußert hatte«, sagte Sarrazin. Die SPD versucht seit Jahren, Sarrazin wegen islamkritischer Bücher und Thesen aus der Partei auszuschließen.

Lesen Sie auch: Auch Palmer lässt was ins Rutschen kommen - Die jüngsten Äußerungen des Tübinger Grünen-Oberbürgermeisters lassen schaudern

Anfang des Jahres entschied die Landesschiedskommission der SPD, dass ein Parteiausschluss des früheren Berliner Finanzsenators gerechtfertigt sei. Die Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig. AFP/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.