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  • Coronakrise und die Linke

Aluhut und Atemmaske

Corona und der Zwang zur Eindeutigkeit - eine Lockerungsübung für Linke.

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 4 Min.

Rund um den 20. April war Corona-Deutschland höchst erregt. Damals hatte Nordrhein-Westfalen die Öffnung vieler Geschäfte gestattet. »Die Virologen« warnten, das Echo war drastisch: »Konjunkturprogramm für die Bestattungsbranche«, ätzte der noch freundliche Teil des Internets. Dass jedenfalls »Laschet« eine gewaltige Infektionswelle lostreten würde, galt als quasi ausgemacht.

Bei aller Vorsicht: Nichts dergleichen ist passiert. Doch weiterhin gilt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet als Kopf einer zynischen »Lockerungslobby«, wenn man ihn nicht in einem Atemzug mit »Corona-Leugnern« nennt.

Irrende rudern nie gern zurück. Coronaspezifisch aber ist eine seltsame Unfähigkeit zur Freude: Aufzuatmen, dass sich der Bummel in der Innenstadt als nicht per se gemeingefährlich erwiesen hat, scheinen sich viele förmlich zu verbieten.

Offenbar produziert die Krise einen mächtigen Wunsch nach Vergewisserung - auch bei denen, die sich für rational erachten. Das immunisiert dagegen, den »Erfolg« von Laschets Ladenöffnung in den Kopf zu lassen. Denn müsste man sich dann nicht fragen, ob die Schließung jener Läden so dringend war? Und könnte sich nicht gar jene »Heinsberg-Studie« des Virologen Hendrik Streeck, auf die sich Laschet stützte und deren »methodische Fehler« jüngst jeder Journalist mit Germanistikdiplom in drei Sätzen darlegen konnte, als gar nicht schlecht erweisen?

Zwingend sind diese Folgerungen aus jener »Lockerungsorgie« nicht: Vielleicht gibt es ja doch starke saisonale Faktoren und war im Mai daher gangbar, was im März kritisch gewesen wäre. Meist liest man von einem »kleinen Effekt«, der »keine Entwarnung« erlaube. Doch schon das Vage scheint für viele zu irritierend zu sein. Im Zweifel postet man lieber die jüngste Schnellstudie über Aerosolinfektion oder neue Krankheitsbilder.

Ein Virus als Identitätsfrage

Corona ist zur Identitätsfrage geworden. Und wo das Selbst in die Politik kommt, wird polarisiert. Nicht nur vermeintliche »Leugner« und tatsächliche »Verschwörungstheoretiker« gehen mit Information höchst selektiv um, weil sie ihre Welt ganz an das Virus knüpfen. Das Gleiche gilt für ihren Gegenpart: Auch engagierte Besorgnis kann sich zu einem Komplex verdichten, der wütend abwehrt, was ihm nicht passt.

Was treibt Leute an, die noch heute jeden Bezug auf »Fake-Streeck« mit einer Facebook-Fatwa ahnden? Was steht hinter dem seltsamen Triumphton - »Nehmt das, Verharmloser!« - beim Teilen bedrohlicher News? Es gibt eine Art Anti-Corona-Heroismus, der sich in asketischer Aufopferung so gut gefällt, dass er aufs Katastrophische emotional angewiesen ist - und die schlechte als gute Nachricht empfindet, weil er sich darin bestätigt sieht.

Beide Identitäten - »Heroismus« und »Negationismus« - korrespondieren nicht nur, sondern erschaffen einander förmlich. Das zeigt die Art, wie »links« und »rechts« in der Krise verteilt wurden. Gewiss ist es links, die Gesundheit vieler über »die Wirtschaft« zu stellen. Aber ist das der einzige Blickwinkel?

Mit dem Virus kam die Verwirrung. Anfangs forderte die Rechte umgehende Grenzschließung und »Lockdown«. Viele derjenigen aber, die auf dem Berliner Rosa-Luxemburg-Platz das Grundgesetz hochhielten, glaubten zunächst, auch »gegen rechts« zu stehen. Sie waren, was Alexander Gauland einen »gärigen Haufen« nennt, frisch empört und unprogrammatisch. Doch warteten viele auf die Linke, zu der einige Aufrufer zählten. Was aber von links kam, waren die Aluhutjäger. Sie fanden das Haar in der Suppe und präparierten es, bis ein Schopf draus wachsen konnte. Ihr feindseliger Spott trug dazu bei, dass bei jener Gärung tatsächlich oft Rechtes herauskam - und brachte das linke Selbstbild in Ordnung. Wogegen die sind, dafür müssen wir stehen: Kaum weniger als in der Sache hat die Linke ihre Position in diesem »Anti« gefunden. Und je wilder es die Esoteriker und Judensternträger nun auf den Demos treiben, desto fester sitzt in der Linken jener Corona-Komplex.

Orientierung durch Gegnerschaft ist aber eine grundsätzlich schwache, defensive Position. Dabei war ein »linker Lockdown« durchaus denkbar: Bevor Bürger nicht auf Bänken sitzen dürfen, müssen die Fabriken schließen! Wir verteidigen das Demonstrationsrecht gegen die 50-Köpfe-Willkür und fordern eine Reform der WHO!

Dreierlei Schaden

Doch jetzt ist der Schaden angerichtet, und das in dreierlei Hinsicht: Dass eine linke Position zu den »Maßnahmen« nie erkennbar war, könnte nun der AfD aus ihrer Coronakrise helfen. Nach dem Fiasko der Krimkrise von 2014, als Frieden zum schmutzigen Wort wurde, werden nun Grundrechte verdächtig. Auch greift in der Antihaltung zu den Verharmlosern ein Wissenschaftspositivismus im Stil der 1950er Jahre um sich, der nur noch »Leugner« und »Fakten« kennt. Dabei zeigt sich, wenn bislang unklar bleibt, ob etwa Rauchen immunisiert oder gefährdet und warum Kinder so selten erkranken, dass auch Naturwissenschaft nicht Wahrheit liefert, sondern zunächst oft widersprüchliche Annahmen. Zu schweigen davon, dass sie ein Feld von Machtbeziehungen und Eigenlogiken ist, in dem Durchbrüche meist gegen die Mehrheit erfolgen: Hatte nicht auch bei Laschets Ladenöffnung offenbar die Minderheit recht?

Das empfiehlt eine Lockerungsübung zwischen Aluhut und Atemmaske: Entspannt Euch. Geht shoppen. Und startet endlich den Hashtag »Entschuldigung_Armin«.

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