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  • Berliner Wohnungsmarkt

Enger wohnen am Stadtrand

Immer mehr Berliner drängen sich in zu kleinen Wohnungen außerhalb der Innenstadt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Mit dem Laptop auf dem Balkon oder im großzügigen Arbeitszimmer von zu Hause aus arbeiten. Nicht wenige schwärmen dieser Wochen über ihre schönen Erfahrungen im Homeoffice, manche posten auch Bilder davon in sozialen Netzwerken. Viele andere Berliner erleben den coronabedingten Lockdown weitaus weniger idyllisch. Denn ungefähr jedem achten Hauptstadtbewohner stehen pro Kopf maximal 19 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung. Inklusive Bad, Küche, Flur, also nicht nur Wohnräume. 415 000 Berliner wohnen so, das entspricht ungefähr der Einwohnerzahl von Pankow, dem bevölkerungsstärksten Bezirk der Hauptstadt.

»Die Coronakrise verschärft viele soziale Probleme zusätzlich. Das wird besonders deutlich bei der leider zunehmenden Wohnraumarmut«, sagt Sebastian Schlüsselburg, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, der die Zahlen von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen als Antwort auf eine Schriftliche Anfrage erhielt. »Das birgt gerade in Pandemie-Zeiten, aber nicht nur in diesen Zeiten, sozialen Konfliktstoff etwa in Bezug auf häusliche Gewalt oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. Aber auch in Hinblick auf die Chancengleichheit bildungsferner Haushalte lassen diese Werte für die schulische Leistungsfähigkeit von Kindern bei Hausaufgaben oder wie jetzt im Homeschooling nichts Gutes ahnen«, erklärt Schlüsselburg.

In den vergangenen Jahren ist der Anteil derjenigen gestiegen, die in sehr beengten Verhältnissen leben müssen. 2014 lag dieser noch bei 10,8 Prozent, vier Jahre später waren bereits 11,6 Prozent betroffen. Rechnerisch standen 2014 jedem Berliner noch 38,78 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, 2018 waren es noch 38,09 Quadratmeter. Inzwischen hält der hochgelaufene Neubau Schritt mit dem Bevölkerungszuwachs der letzten Jahre, der sich im Gegenzug auch abgeschwächt hat. 19 000 Wohnungen wurden laut Statistischem Landesamt Berlin-Brandenburg 2019 fertiggestellt.

Und es sieht so aus, als ob der Neubau weiter anziehen wird. Im ersten Quartal 2020 wurden Baugenehmigungen für über 5300 neue Wohnungen erteilt, rund zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Damit haben sich die Prophezeiungen der Gegner, dass der Mietendeckel den Neubau abwürgt, bisher nicht bewahrheitet. Auch wenn die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften allein über 4500 der neuen Wohneinheiten errichtet haben – gebaut wird nach wie vor hauptsächlich im teuren Segment.

Der Anteil jener Menschen, die in sehr beengten Verhältnissen wohnen müssen, unterscheidet sich deutlich zwischen den verschiedenen Bezirken. Außerdem gab es auch innerhalb der Bezirke deutliche Verschiebungen im Vergleich der Jahre 2014 und 2018. Unverändert am niedrigsten liegt der Anteil in Pankow (5,5 Prozent), es folgt Steglitz-Zehlendorf mit 5,6 Prozent. Dort ist die Quote in vier Jahren um 1,2 Prozentpunkte gefallen, genauso wie in Charlottenburg-Wilmersdorf und leicht in Mitte. In Friedrichshain-Kreuzberg stürzte der Anteil von Menschen mit sehr niedriger Wohnfläche regelrecht ab – von 14,7 auf 10,7 Prozent.
»Das ist Ergebnis der Errichtung großflächiger Luxuswohnungen, zeigt aber insbesondere, dass die Bestandswohnungen heute anders belegt werden: nach Modernisierung und Verdrängung mit weniger und vor allem anderen Menschen«, sagt Schlüsselburg.

Die Kehrseite: In Spandau hat die Belegungsdichte von Wohnungen einen Satz nach oben gemacht. Fast einem Sechstel der Bewohner standen 2018 nicht mehr als 19 Quadratmeter pro Kopf zur Verfügung, ein Anstieg um die Hälfte seit 2014, ebenso in Reinickendorf. Um fast drei Viertel auf nun 12,3 Prozent stieg diese Quote in Marzahn-Hellersdorf. Signifikant nach oben ging es auch in Lichtenberg. In Neukölln verharrt der Wert auf sehr hohem Niveau – jeder Fünfte wohnt dort sehr beengt.

»Die Zahlen mit ihren regionalen Unterschieden spiegeln die Verdrängung in Großwohnsiedlungen mit vielfach problematischen sozialen Lagen sowie die zunehmende Entmischung der Stadt wider«, sagt Schlüsselburg. »Besorgniserregend« nennt er diesen Umstand und fordert die Ausweisung weiterer Milieuschutzgebiete.

»Für die, die sehr beengt wohnen, keinen Balkon haben und keine Grünfläche in der Wohnanlage nutzen können, war der Lockdown eine besondere Härte«, ist Schlüsselburg überzeugt. Daher sollten die landeseigenen Wohnungsunternehmen darauf achten, bei Neubauten möglichst jede Wohnung mit einem Balkon auszustatten, fordert er. Bei der WBM verfügen nur knapp 40 Prozent der Wohneinheiten über Balkon oder Terrasse, bei der Stadt und Land sind es rund 57 Prozent, bei der Gewobag über zwei Drittel, allerdings haben nicht mal ein Viertel von deren rund 1600 Wohnungen in Mitte einen Austritt. Knapp drei Viertel der Wohnungen der Degewo verfügen darüber. Mit einer Quote von 83 Prozent ist die Gesobau Spitzenreiterin.

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