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Rettung für Luftfahrtbranche
Regierung greift der Lufthansa unter die Flügel - viele Beschäftigte trauen dem Deal nicht
Keine Frage, warum man den Flugzeugen der Lufthansa (LH) seit Gründung der Gesellschaft 1926 einen Kranich ans Leitwerk malte. Dem attestierte man bereits in der Antike Schönheit, man lobte seine Klugheit, hob seine Wachsamkeit hervor - kurzum: Der Kranich galt als »Vogel des Glücks«.
Corona hat vieles verändert. Weltweit brach das Geschäftsmodell der Luftfahrtbranche zusammen. Dutzende renommierte Airlines ringen ums Überleben - oder haben den Kampf bereits verloren. Wenn die Lufthansa demnächst also wieder halbwegs geordnet an den Start gehen sollte, so dankt sie das Millionen steuerzahlenden Schutzengeln. Ungefragt garantieren sie, was die deutsche Regierung zur Hilfe anbietet.
Die Stabilisierungsmaßnahmen haben einen Umfang von neun Milliarden Euro. Drei Milliarden davon würden als Kredit von der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) kommen. Zudem soll es eine sogenannte stille Einlage geben. Vorgesehen ist eine Kapitalerhöhung. So soll der Bund über den in der Coronakrise geschaffenen Wirtschaftsstabilisierungsfonds einen Anteil von 20 Prozent am Unternehmen erhalten. Das allein böte keine Handhabe, wichtige Entscheidungen zu blockieren. Dafür gibt es die Möglichkeit einer zusätzlichen Wandelanleihe im Wert von fünf Prozent plus einer Aktie. Damit wäre die Regierung in der Lage, eine Sperrminorität unter anderem gegen feindliche Übernahmen aufzubauen.
Von der Hand zu weisen sind solche Ängste nicht, wie das Beispiel des Billigfliegers Norwegian Air zeigt. Der Airline greifen gerade zwei Leasingfirmen unter die Arme. Die irische Leasinggesellschaft AerCap Holdings wird dabei weniger kritisch gesehen als der Einstieg von BOC Aviation. Denn dieses Unternehmen gehört über eine lange Kette verschiedener Eigentümer dem chinesischen Staat.
Zwar hatten die deutschen Regierungen nie etwas dagegen, dass die Lufthansa sich Firmen in aller Welt einverleibt und sich dabei auch dubioser Briefkastenfirmen bedient, die nicht unter das deutsche Steuerrecht fallen. Doch dass die traditionsreiche deutsche Airline ihrerseits von potenten Gesellschaften gefressen wird, ist aus Regierungssicht inakzeptabel.
Von Dankbarkeit ist bei der LH-Konzernspitze nicht viel zu spüren. Der schmecken schon die wenigen Mitspracherechte, die sich der Staat erkaufen könnte, nicht. Da hilft es wenig, dass die Regierung zusagt, sich nicht in das operative Geschäft einzumischen.
Falls der Aufsichtsrat von Lufthansa und die Aktionäre - die ob der Krisenzeiten einmal keine Dividende einstreichen dürften - nicken sollten, muss alles noch von der EU-Kommission abgesegnet werden.
Auch jenseits dieser Gremien gibt es ernste Vorbehalte gegen die LH-Hilfspläne. Hat sich der Investor »Staat« über den Tisch ziehen lassen? Die Union sieht aktuell keine Alternative, warnt aber vor einer »Staatswirtschaft«, weshalb Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versichert, dass die angepeilte Staatsbeteiligung nur vorübergehend sein soll.
Für »inakzeptabel« dagegen hält die FDP eine direkte Staatsbeteiligung an der noch bis Mitte der Sechziger Jahre staatlichen Kranich-Airline. Grüne bemängeln, dass der Bund der Lufthansa neun Milliarden Euro zuschiebt, dafür jedoch nur eine Beteiligung von 20 Prozent bekommt. Obwohl das Unternehmen an der Börse nur vier Milliarden Euro wert ist. Ähnliche Kritik kommt von den Linken, die wie Gewerkschaften monieren, die Rechte der Beschäftigten würden keine Rolle spielen. Befürchtet wird der Abbau von Arbeitsplätzen.
Obwohl die LH-Piloten von sich aus Gehaltskürzungen angeboten haben, sind ernste Sorgen begründet. Der Lufthansa-Vorstand hat die Belegschaft auf weitere »schmerzhafte Restrukturierungen« vorbereitet. Die Fluggesellschaft beschloss bereits, neben fünf Boeing 747-400 auch sieben der A380-Riesen stillzulegen. 2021 sind nach bisherigen Prognosen rund 300 der 760 Flugzeuge der Lufthansa-Gruppe überzählig und werden teilweise ausgesondert. Wenn alles gut geht, so die Konzernprognosen, könnte man nach überstandener Krise im Jahr 2023 mit insgesamt 660 Jets auskommen. Kritikwürdig am Hilfsprogramm ist auch, dass ökologische Belange nicht Bestandteil des Deals sind. Dabei hätte es die Regierung nun in der Hand, Klimaverbesserungen im Luftverkehr durchzusetzen. Doch dazu bräuchte sie - neben dem Willen - ein gesamtstaatliches Verkehrskonzept, das andere Verkehrsträger einbezieht. Frankreich ist da, was das Zusammenspiel von Fliegerei und Bahn betrifft, ideenreicher.
Bei der Lufthansa und ihrer Tochter Eurowings geht es jedoch nicht nur um das Überleben in Deutschland. Der multinationale Konzern, zu dem unter anderem auch die Austrian-, die Brussels- sowie die Swiss-Airlines gehören, fordert auch von anderen Staaten Corona-Hilfe ein. Österreich und Belgien pochen dafür auf Standortgarantien und stellen sich auf ein reduziertes LH-Engagement ein. Die Schweiz machte bereits über 1,4 Milliarden Euro locker.
Ungeachtet der ausstehenden strategischen Entscheidungen will die Lufthansa ab Mitte Juni wieder von Frankfurt aus rund 80 Passagiermaschinen in Betrieb nehmen, um Urlaubsgebiete wie Kreta, Rhodos, Dubrovnik, Faro, Venedig, Ibiza und Malaga und Mallorca anzufliegen. So die Reisebeschränkungen fallen.
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