Im Tutu für den guten Ruf der Ballettschule
Gerüchte um eine Existenzgefährdung vermischen sich mit der Debatte um mögliche Kindeswohlgefährdungen
»Wir wollen unsere Schule«: Unter diesem Motto steht die kleine Vorführung auf dem Schulhof der Staatlichen Ballettschule Berlin am Montagmittag. Auf die Beine gestellt wurde der Auftritt von der elfjährigen Annalena und ihren gleichaltrigen Mitschülerinnen Romy und Yasmina. Rund 50 Schüler und eine Handvoll Eltern und Lehrkräfte schauen zu und spenden dann Applaus. Die drei Sechstklässlerinnen im Tutu verbeugen sich rasch - und schon sind sie wieder im Schulgebäude verschwunden. Wir wollen unsere Schule, das heißt auch: Wir haben Sorge um den Ruf unserer Schule.
Wie berichtet, stehen die Ausbildungsmethoden an der Ballettschule und der angegliederten Schule für Artistik massiv in der Kritik. Es geht dabei um Drill, Beleidigungen, Grenzüberschreitungen. Erst vor zwei Wochen kam eine von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) im Februar eingesetzte unabhängige Clearingstelle nach Gesprächen mit über 100 Betroffenen in einem Zwischenbericht zu dem Fazit, dass die Vorwürfe der Kindeswohlgefährdung keineswegs aus der Luft gegriffen sind. Spätestens seit dem Zwischenbericht schießen schon zuvor kursierende Gerüchte noch einmal vermehrt ins Kraut, verbreitet vor allem über die sozialen Medien. Mal heißt es, Auftritte der Schüler mit dem Landesjugendballett sollen untersagt werden, mal wird geraunt, die beiden Schulen in Prenzlauer Berg seien in ihrer Existenz gefährdet.
»Nichts wird geschlossen, keine Kooperation wird beendet - da werden einfach Lügen verbreitet«, sagt hierzu Regina Kittler, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Zusammen mit den bildungspolitischen Sprecherinnen von SPD und Grünen, Maja Lasić und Marianne Burkert-Eulitz, hatte sich Kittler vergangene Woche mit deutlichen Worten gegen »die Verbreitung falscher Informationen« gestellt. Das »Instrumentalisieren der Schüler*innen« müsse »umgehend unterbleiben«, heißt es in der gemeinsamen Stellungnahme, in der sich die drei Sprecherinnen auch gegen die »Teilnahme an diesbezüglichen Kundgebungen« wenden. Damit wiederum war die Balletteinlage von Annalena, Romy und Yasmina gemeint.
Annalenas Vater Ulli Dell’Antonio berichtet, dass von Instrumentalisierung nicht die Rede sein könne. Die Mädchen hätten sich die Aktion, mit der sie ihre Schule in ein besseres Licht rücken möchten, selbst ausgedacht. Aber auch Dell’Antonio sagt: »Man hätte das alles auf kleinerer Flamme kochen können.«
»Jede Seite schießt gerade gegen jede«, fasst eine Schülerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, die komplizierte Gemengelage sichtlich genervt zusammen. Sie hätte genug von den von verschiedenen Seiten befeuerten Kampagnen. »Die Leute werden gespalten, wir müssen wieder aufeinander zukommen.«
Eine der Kampagnen, die demnach das Schulklima belasten, nennt sich »Save the Dance« - eine, wie es auf der Webseite heißt, »unabhängige Initiative« von Freunden der Ballettschule und der Schule für Artistik mit inzwischen über 200 Unterstützern. Sie setzt sich insbesondere dafür ein, dass die im Februar aufgrund der Vorwürfe vom Dienst freigestellte Schulleitung wieder eingesetzt wird. »Wenn es einzelne Vorfälle im Trainings- und Schulalltag gab, die man als übergriffig oder Fehlverhalten bewerten müsste, ging die Schulleitung diesen selbstredend nach, klärte vor Ort auf, machte Meldung bei der Schulaufsicht«, teilt der Sprecher der Initiative, der Filmemacher Konrad Hirsch, »nd« mit. Folgt man Hirsch, dann treffe die Schulleitung keine Schuld an den Vorfällen, verantwortlich hierfür seien vielmehr einige wenige Lehrkräfte, die »nach wie vor an der Staatlichen Ballettschule unterrichten«.
Auch Grünen-Politikerin Burkert-Eulitz meint, dass das Problem eigentlich über die Schulleitung hinausgeht. »Wohlgemerkt im Konjunktiv«, sagt sie: »Es könnte sein, dass da noch andere Veränderungen vorgenommen werden müssten.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.