- Kommentare
- Mindestlohn
Kalkulierter Tabubruch
Simon Poelchau über die Angriffe aus der Union auf den Mindestlohn
Tabubrüche sind so eine Sache: Meist geht es nicht darum, sofort durchzusetzen, was dabei ins Spiel gebracht wird. Stattdessen ist das erste Ziel, die Stoßrichtung einer Diskussion zu ändern. Die nun aus dem Wirtschaftslager der Union geforderte Absenkung des Mindestlohns ist ein solcher Tabubruch.
Die Gegner der gesetzlichen Lohnuntergrenze waren lange Zeit in der Defensive. Die vor der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 an die Wand gemalten Horrorszenarien, dass Tausende deswegen ihren Job verlieren würden, traten nicht ein. Stattdessen brummte der Arbeitsmarkt, und es gab einen Diskurs darüber, ob der Mindestlohn zu niedrig sei, dass man davon nicht richtig leben, geschweige denn eine armutsfeste Rente erhalten könne.
Doch nun nutzen die Gegner des Mindestlohns die Coronakrise, um im Namen der Wirtschaft die Diskussion zu drehen. Ob ein Absenken der Lohnuntergrenze überhaupt ökonomisch so klug ist, weil das ein Angriff auf die Kaufkraft von weiten Teilen der Bevölkerung und damit ebenso ein Angriff auf die private Nachfrage ist, sei dahin gestellt.
Vor allem ist die Forderung ein Schlag ins Gesicht all jener, die von 9,35 Euro die Stunde leben müssen. Dabei wurden viele von ihnen noch vor Kurzem beklatscht, weil sie den Laden in der Krise am Laufen gehalten haben, etwa weil sie im Einzelhandel arbeiten. Zum Dank für ihren Einsatz sollen sie nach dem Willen der Neoliberalen nun offenbar den Gürtel enger schnallen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.