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Der Juniorchef drängt auf Beförderung
Joshua Kimmich besorgt Münchens Siegtreffer gegen Dortmund. Der 25-Jährige strebt nach einer Führungsrolle
Als der defensive Mittelfeldspieler über den 1:0-(1:0)-Sieg seines FC Bayern bei Borussia Dortmund sprach, verzichtete er auf die branchenüblichen Einschränkungen. »Man kann die Schale Richtung München schon mal schicken lassen, vielleicht in Pfaffenhofen kurz mal noch einen Stopp einlegen, aber ich glaube, die Meisterschaft ist entschieden«, sagte also der Sechser. Und über das Tor in der 43. Minute, das den Münchnern am Dienstagabend den Vorsprung von nun sieben Punkten auf den abgehängten Verfolger BVB einbrachte und den Weg zu ihrem achten Ligatitel in Serie bei noch sechs ausstehenden Spieltagen vorentscheidend ebnete, befand er ebenfalls ohne Umschweife: »Es war sehr, sehr gut gemacht.«
Überheblichkeit oder Eigenlob beinhalteten diese Sätze jedoch nicht. Der defensive Mittelfeldspieler, der sich da so frei über seinen FC Bayern äußerte, war ja nicht der Sechser und Torschütze Joshua Kimmich, sondern dessen Vorbild Bastian Schweinsteiger. Und was das ziemlich ergraute Münchner Idol in seiner neuen Rolle als ARD-Experte über seinen Nachfolger Kimmich sonst noch sagte, kam einem Ritterschlag gleich. »In dem Moment da so einen Chip-Ball einzubauen, ist natürlich eine Überraschung für den Torwart«, befand Schweinsteiger über Kimmichs kunstvollen Lupfer aus 18 Metern über Roman Bürki hinweg, »Joshua hat ein sehr gutes Spiel gemacht, er ist sehr viel gelaufen, er hat sehr viele Bälle verteilt, er war immer anspielbereit. Er hat sich belohnt mit dem Tor.«
Dabei war sein dritter Saisontreffer nur Kimmichs auffälligster Leistungsnachweis unter vielen bemerkenswerten Momenten und Daten, mit denen er sich im insgesamt fußballerisch sehr hochwertigen Ligagipfel hervorgetan und diesen markant geprägt und entschieden hatte. Der Saisonhöchstwert der Liga von gelaufenen 13,73 Kilometern wurde ermittelt. Hinzu kamen die meisten Ballkontakte (109) aller Bayern und nebenbei die entschlossensten Jubelschreie nach seinem Tor und dem Abpfiff.
»Als ich mich so umgeguckt habe, war mir nicht sofort klar, ob jeder wusste, wie wichtig diese drei Punkte waren«, sagte Kimmich über seinen ersten emotionalen Ausbruch. Und was seine emsige Omnipräsenz angeht, verwies er darauf, dass diese eine Selbstverständlichkeit gewesen sei. »Motivieren muss einen ja keiner vor so einem Spiel, da rennt man von alleine«, sagte Kimmich und scherzte angesichts der Geisterspiel-Atmosphäre: »Mit den Fans im Rücken geht das schon.« Die spanische »Marca« schrieb beeindruckt: »Er ist athletisch, vielseitig, macht alles - und macht alles gut. Wie viel kostet Kimmich?«
Schweinsteiger hat in seiner Karriere lange gebraucht, um das »Schweini«-Teenie-Image abzustreifen und als ernsthafter Führungsspieler beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft wahrgenommen zu werden. Als »Chefchen« war er zwischenzeitlich von der »Sport Bild« verspottet worden, und als er im verlorenen Finale der Champions League 2012 den entscheidenden Elfmeter an den Pfosten setzte, fürchteten manche, dass Schweinsteiger unvollendet bleiben könnte. Erst die Eroberung des Henkelpotts 2013 und vor allem der Gewinn des WM-Titels 2014 mit blutendem Cut unter dem Auge brachten ihm die höchste Anerkennung ein.
Sein Nachfolger Kimmich ist da auch ohne die ganz großen Titel mit seinen 25 Jahren bereits deutlich weiter, was auch daran liegt, dass er schon lange ziemlich chefig auftritt. Während andere Talente zunächst vorsichtshalber nicht in die Mediengespräche geschickt werden, zog es Kimmich nach seinem Wechsel für 8,5 Millionen Euro vom damaligen Zweitligisten RB Leipzig 2015 rasch selbstbewusst vor die Kameras.
Von Beginn an scheute er nicht davor zurück, die erfahrenen Kollegen zu kritisieren. Auf manche wirkte dieser frühreife Kimmich sehr forsch, manchmal auch überehrgeizig und mit seiner Bestimmtheit anstrengend für die Mitspieler. Zum Beispiel dann, wenn er deren Leistungen ungefragt via WhatsApp bewertet. Aber er kann sich das leisten, weil er mit Leistung vorangeht. Längst gilt er als kommender Kapitän der Bayern und der Nationalelf, was Mitte Mai auch der Münchner Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge aussprach.
Kimmich genießt den Ruf als Anführer der zunehmend in der Verantwortung stehenden Generation von 1995/96, zu der Dortmunds Julian Brandt und Leipzigs Timo Werner ebenso zählen wie die Münchner Niklas Süle, Leon Goretzka, Serge Gnabry und der wohl baldige Zugang Leroy Sané von Manchester City. Beigetragen zu Kimmichs Aufstieg hat seine inzwischen dauerhafte Beförderung vom Rechtsverteidiger zum defensiven Mittelfeldspieler. Und wenn er, wie Anfang März beim 1:0-Sieg im Pokalviertelfinale beim FC Schalke, mal als Innenverteidiger aushilft, genügt er in ungewohnter Rolle ebenfalls höchsten Ansprüchen. »Er kann einfach alles. Er hat sich in den letzten Jahren zu einem Führungsspieler und zu einer Persönlichkeit entwickelt. Für mich ist er einer der besten Spieler in Europa«, sagte Sportdirektor Hasan Salihamidzic danach. Auch damals hatte Kimmich das Tor des Tages erzielt.
Sein kunstvoller Treffer nun gegen den BVB hat viel mit Hansi Flick zu tun, der gerade auf seinen ersten Titel als Cheftrainer zusteuert. Der Coach hatte mit seinem Stab vorab auf Bürkis Angewohnheit hingewiesen, weit vorm Tor zu stehen. »Mich freut’s, dass er gut zugehört hat«, sagte Flick später über Kimmich. Überrascht hat ihn sein Musterschüler damit nicht. Kimmichs Entwicklung sei »sehr gut«, dieser gebe auch im Training »immer 100 Prozent, das ist einfach schön«, sagte Flick.
Das liegt auch daran, dass Kimmich noch viel vorhat. »Unsere Generation hat viel Potenzial und Qualität, aber eben noch so viel gewonnen. Das wollen wir ändern«, sagte Kimmich, und zwar mit Bayern und der Nationalelf. Einen Wechsel ins Ausland kann er sich für später gut vorstellen; er lernt bereits Spanisch, weshalb ihm Thomas Müller in Dortmund »Golazo« (Traumtor) zurief. »Aber jetzt ist es ganz klar mein Ziel, mit Bayern München eine Ära zu prägen - mit dem ganz großen Ziel, die Champions League zu gewinnen«, sagte Kimmich im Januar. Sein Vorbild Schweinsteiger traut ihm und den Bayern das schon sehr bald zu.
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