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José Mourinhos schönste Niederlage
Auf dem Weg zum Titel ermauerte sich der portugiesische Trainer mit Inter Mailand 2010 ein glorreiches 0:1 in Barcelona
Ob José Mourinho am Mittwoch vor dem Fernseher sitzen wird? So wahnsinnig viel zu tun ist ja nicht in Istanbul, wo er mit Fenerbahce im Achtelfinale der Europa League gegen die Glasgow Rangers ausgeschieden ist und auch in der heimischen Süper Liga nur noch bescheidene Chancen auf die Meisterschaft besitzt. Das entspricht nicht Mourinhos Selbstverständnis. Der Portugiese hat den europäischen Fußballzirkus geprägt wie kaum ein anderer, aber sein letzter Sieg in der Champions League hat schon ein bisschen Patina angesetzt. Er datiert vom Frühling 2010, und der Weg dorthin führte ihn als Trainer von Inter Mailand über ein denkwürdiges Spiel beim FC Barcelona. Dieses kommt nun am Mittwoch zur Wiedervorlage, abermals im Halbfinale des größten und besten jährlichen Fußballwettbewerbs der Welt.
Die Vorgeschichte reicht zurück in den Sommer 2008, als Barcelona nach der Trennung von Frank Rijkaard einen neuen Trainer suchte und dabei auch mit Mourinho verhandelte. Der hatte sehr konkrete Vorstellungen, bis hin zur Bestellung des Ko-Trainers. Mourinho favorisierte Josep Guardiola, der damals Barças zweite Mannschaft betreute. Am Ende aber kam es, wie es im Rückblick nur allzu logisch erscheint. Mourinho übernahm die Catenaccio-Traditionalisten von Inter, Barcelona vertraute die Renaissance der blau-roten Poesie dem Klubheiligen Guardiola an.
Früher schlicht Pokal der Landesmeister, heute Champions League: ein inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Sven Goldmann blickt auf den kommenden Spieltag.
Zwei Jahre später trafen sich die beiden im Halbfinale der Champions League. Die 1000 Kilometer lange Reise zum Hinspiel musste Barça im Bus antreten, weil im fernen Island ein Vulkan ausgebrochen war und den europäischen Flugverkehr lahmgelegt hatte. Inter siegte 3:1 und konzentrierte sich im Rückspiel auf eine Taktik, wie sie Mourinhos Mannschaften schon immer gern praktiziert haben. Einen ganzen Fußballabend lang parkte Inter den Mannschaftsbus vor dem Strafraum, sodass die Señores Messi, Xavi, Busquets und Co. kaum dazu kamen, die Schönheit ihres Spiels gewinnbringend einzusetzen.
Es half ihnen auch nicht entscheidend weiter, dass Inters Thiago Motta früh vom Platz flog. Erst kurz vor Schluss gelang Gerard Piqué ein Tor, Mourinho ertrug es so stoisch wie die vierminütige Nachspielzeit. Aber als dann endlich Schluss war, sprintete er mit ausgestreckten Armen quer über den Platz, vergeblich gejagt von Barcelonas Torhüter Víctor Valdés. Erst die spontan eingeschalteten Rasensprenger beendeten die private Party von Inters Trainer in Barças Stadion.
Später sprach er von der »schönsten Niederlage meiner Karriere, meine Spieler haben Blut geschwitzt«, und die »Gazzetta dello Sport« feierte ihn für die »Muro di Gloria«, die auf dem Rasen errichtete Mauer des Ruhms. Ein paar Wochen später, nach dem gewonnenen Finale gegen den FC Bayern, zog Mourinho weiter zu Real Madrid. Seitdem warten Klub und Trainer auf ein Da Capo in der Champions League. Mourinho scheiterte mit Real, Chelsea, Manchester United, Tottenham und Roma, Inter kam vor zwei Jahren immerhin bis ins Finale. Und nimmt nun am Mittwoch im Nou Camp einen neuen Anlauf.
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