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Konsequenzen statt Symbolpolitik
Florian Pfaff kritisiert, dass in der Bundeswehr gesetzestreues Verhalten nicht konsequent gelebt wird
Der Arbeitskreis »Darmstädter Signal« (DS) - ist das eine Gruppe linker Soldaten?
Nein, der Arbeitskreis ist eine Organisation aus aktiven und ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr, eine Denkfabrik. Wir erarbeiten Vorschläge und bringen die in die Öffentlichkeit. Ob diese dann angenommen und diskutiert werden, liegt nicht in unserer Hand.
Wie reagiert denn die Bundeswehr auf das Darmstädter Signal?
Die Bundeswehr hat früher nur geschimpft und uns als »linke Typen« abgetan. Zumindest beim Wehrbeauftragten kommen wir aber inzwischen gut an - der letzte Wehrbeauftragte Hans Peter Bartels hat uns sehr gelobt.
Aber trotzdem ist es schwer, aktive Soldat*innen zur Mitarbeit im Signal zu motivieren …
Das stimmt. Für mich liegt einer der Gründe darin, dass von Soldaten immer häufiger auch Dinge verlangt werden, die nicht legal sind. Das kritisieren wir. Viele Aufträge beim Kommando Spezialkräfte KSK sind nicht legal durchführbar. Zugriffsoperationen in Afghanistan, bei denen Gefangene gemacht und an die US-Truppen übergeben werden und der Irakkrieg sind da nur Beispiele. Da ist jedem klar, dass die nach Guantanamo oder in Geheimgefängnisse kommen. Wer solche Aufträge akzeptiert und daran mitwirkt, der muss schon einen gewissen Mangel an Verfassungstreue mitbringen.
Beim KSK gab es in den vergangenen drei Jahren immer wieder schwere rechtsradikale Vorfälle. In anderen Teilen der Bundeswehr geht es schon in den Bereich des Rechtsterrorismus. Jetzt soll eine Arbeitsgruppe eine Strukturanalyse machen.
Wir als DS begrüßen das. Insbesondere, dass es laut dem Präsidenten des Militärischen Abschirmdienstes nicht nur um Rechtsradikalismus, sondern auch mangelnde Verfassungstreue gehen soll. Wie soll man Bundeswehrangehörigen vermitteln, dass Rechtsradikalismus und Antisemitismus tabu, aber völkerrechtswidrige Angriffskriege, wie gegen Saddam Hussein, schon in Ordnung seien? Das kann nicht funktionieren. Die Bundeswehr muss insgesamt auf den Boden der Verfassung zurückgebracht werden. Nur dann kann auch der Rechtsradikalismus in der Truppe eingedämmt werden.
In den letzten Jahren gab es immer wieder Versuche von einzelnen Soldaten, sich verfassungstreu zu verhalten. Da wurden Einsätze ohne Mandat verweigert oder rechtsradikale Vorfälle an den Militärischen Abschirmdienst gemeldet - mit dem Ergebnis, dass die Soldaten entlassen wurden und das Problem blieb. Wie passt das zusammen?
Leider gibt es diese Tendenz. Das habe ich selbst erleben müssen, als ich mich gegen einen Einsatz im Irak gewehrt habe. Ich habe mich gesetzestreu verhalten und wurde daraufhin nicht mehr befördert. Wenn die Bundeswehr derartig abstraft, dann bleiben natürlich nur noch die übrig, die sich so verhalten, wie wir das jetzt beim KSK sehen. Darüber darf sich die Bundeswehrführung, solange sie selbst auffordert, die Gesetze zu ignorieren, nicht wundern.
Wie kann es sein, dass immer wieder Munition verschwindet?
Das ist leider recht einfach, sobald sich genügend Gleichgesinnte dazu verabreden und bei einem Schul- oder Gefechtsschießen Munition beiseite schaffen. Die Kontrolle ist nur eine gegenseitige. Im KSK sind offenbar so viele Gleichgesinnte, dass das dort wohl einfacher ist. Eigentlich sollte allein schon der Diebstahl den Grund für eine fristlose Entlassung liefern, wie das auch in anderen Arbeitsverhältnissen schon möglich ist.
In einem Brief hat der KSK-Kommandeur Markus Kreitmayr dazu aufgefordert, Rechtsradikale sollten das KSK freiwillig verlassen. Wie realistisch ist das?
Das ist eher symbolisch und soll heißen, dass es ihm ernst ist. Ich rechne nicht damit, dass rechtsradikale KSK-Soldaten freiwillig gehen.
Wie ist das in den Griff zu bekommen?
Die Bundeswehr hat das Konzept der inneren Führung. Soldat*innen sollen rechtmäßiges Handeln im Dienst selbst erleben und auf allen Ebenen vorgelebt bekommen. Doch wenn das zunehmend ersetzt wird durch eine Art Kadavergehorsam gegenüber den USA und Missachtung des Gesetzgebers und von Gerichtsurteilen, dann kann die innere Führung nicht greifen. Das ist eine Aufgabe für die neue Wehrbeauftragte Eva Högl. Fehlverhalten in der Ministeriumsspitze muss genau so geahndet werden wie an der Basis der Armee.
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