Foulspiel wird schwieriger
Rot-Rot-Grün verbessert Bedingungen für Volksbegehren deutlich
Zufriedene Gesichter blicken vom Podium in Richtung der coronabedingt ausgedünnten Reihen der Pressevertreter im Abgeordnetenhaus. Denn die Fraktionen von SPD, Linken und Grünen stellen den Entwurf für die Novellierung des Abstimmungsgesetzes vor, auf den sie sich nach drei Jahren teils zäher, teils stillstehender Verhandlungen geeinigt haben.
»Mehr Rechtsklarheit, mehr Transparenz, die Vereinfachung von Verfahren«, benennt Frank Zimmermann, Innenexperte der SPD-Fraktion, am Freitagvormittag die drei Kernpunkte der Neufassung des Gesetzes, das Volksbegehren, -initiativen und -entscheide regelt. Ein wichtiger Aspekt: Für die Zulässigkeitsprüfung bekommt die federführende Senatsinnenverwaltung nun eine klare Frist von fünf Monaten. Bisher ist das nicht geregelt, was in der Vergangenheit beispielsweise der Radentscheid zu spüren bekam, als es nach fast einem Jahr keine Entscheidung dazu gab. Ähnlich ist die Lage derzeit beim Volksbegehren »Deutsche Wohnen & Co enteignen«. Auch hier ist das Jahr Wartezeit bald voll, die Aktivisten haben im Mai Klage vor dem Verwaltungsgericht eingereicht.
»Das ist auch eine Machtfrage«, erklärt Susanna Kahlefeld, Sprecherin für Partizipation und Beteiligung der Grünen im Abgeordnetenhaus. »Und wenn die Innenverwaltung diese Instrumente hat, dann nutzt sie das auch.« Michael Efler, demokratiepolitischer Sprecher der Linksfraktion, freut sich: »Leerlaufen lassen und endlos prüfen wird der Vergangenheit angehören.« Sanktionen für das Reißen der vorgegebenen Zeitspanne gibt es allerdings nicht.
Mit zwei Monaten gibt es nun auch eine klare Frist dafür, wann die nötige amtliche Kostenschätzung vorliegen muss. Volksentscheide sollen künftig auch grundsätzlich zeitgleich mit Wahlen durchgeführt werden, die innerhalb von acht Monaten nach dem Volksbegehren anstehen. Efler hebt hervor, dass nun für die Initiativen eine Planbarkeit gegeben ist. »Es geht da auch ein bisschen um Waffengleichheit«, sagt Grünen-Kollegin Kahlefeld.
Die soll es im gewissen Maße auch beim Geld geben. Bis zu 35 000 Euro Kosten für die Öffentlichkeitsarbeit in jeder der beiden Stufen des Prozesses bis zum Volksentscheid bekommen Initiativen ersetzt. Wer ein Volksbegehren anstößt, muss dafür auch mehr Transparenz bei der Finanzierung an den Tag legen. Derzeit müssen nur Spenden über 5000 Euro offengelegt werden, künftig gilt dies auch für die Eigenmittel. Denn es können ja durchaus vermögende Einzelpersonen Träger eines Volksbegehrens sein.
Vergleichbare Änderungen an den Spielregeln werden auch für die direkte Demokratie auf Bezirksebene umgesetzt. Dort wird auch geregelt, dass einem als zulässig festgestellten Begehren dadurch nicht die Grundlage genommen werden darf, indem der Senat das Verfahren an sich zieht.
Gestärkt werden auch die Rechte zu Änderung und Nachbesserung von Volksbegehren. »Die Initiative hat dann das Recht, dass der Text in den Ausschüssen und im Plenum behandelt wird und sie angehört wird«, erläutert die Grüne Kahlefeld. Grundsätzliche inhaltliche Veränderungen werden unzulässig bleiben.
Vereinfachungen für die Verwaltung gibt es bei der Prüfung der gültigen Unterschriften. In jedem Bezirksamt wird nur so lange geprüft, bis eine ausreichende Anzahl Unterstützungserklärungen verifiziert ist.
Die von der SPD ins Spiel gebrachte Volksbefragung durch den Senat hat es nicht in das Gesetz geschafft. Zimmermann nennt dafür auch verfassungsrechtliche Gründe, es dürfte aber eher an der deutlichen Ablehnung der Koalitionspartner gelegen haben. »Von oben zu fragen: ›Wollt ihr A oder B?‹, halten wir für kein gutes Instrument«, so Kahlefeld.
»Ein sehr gutes Ergebnis, das kein klassischer politischer Kompromiss ist, bei dem sich alle mit einem Bauchgrimmen treffen«, nennt Efler von der Linksfraktion das Gesetz. »Da bleibt nicht viel übrig, was man auch noch besser machen könnte.«
Bereits am Mittwoch soll auch die Einigung der Fraktionen für ein neues Versammlungsgesetz vorgestellt werden. Interessant zu Corona-Zeiten: Das Vermummungsverbot soll fallen. Auch beim Polizeigesetz, das offiziell »Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz« heißt, gibt es eine Einigung.
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