Dresdner Dampfer in schwerer See
Sächsische Dampfschifffahrt zum zweiten Mal binnen Jahresfrist in finanzieller Schieflage
Die Dampfer auf der Elbe in Dresden fahren nach der von Corona erzwungenen Pause wieder. Dreimal am Tag geht es zum »Blauen Wunder«, am Wochenende auch bis zum Schloss Pillnitz. Der Fluss führt nicht viel, aber ausreichend Wasser; in Aussicht steht eine beschauliche Fahrt.
Dagegen befindet sich das Unternehmen, das die Dresdner Flotte betreibt, in schwerem Wasser. Die Sächsische Dampfschifffahrt (SDS) steckt in akuten Finanzproblemen, die Gehälter für Mai wurden nicht pünktlich gezahlt. Die Belegschaft ist alarmiert. Mitarbeiter kaperten mit der »Dresden« das Flaggschiff der mit 180 Jahren ältesten Raddampferflotte der Welt. Auf einem Plakat stand: »Elbpegel + Corona + Freistaat = Dampfer insolvent«. Am Mittwochmittag ging nun ein Insolvenzantrag beim Amtsgericht Dresden ein. Am Freitag will sich das Unternehmen äußern.
Niedrige Pegelstände machen dem Unternehmen, an dem auch der Freistaat Sachsen beteiligt ist, seit Jahren zu schaffen. Weil Fahrten ausfielen, fehlten Einnahmen. 2018 wurde ein Verlust von 827 000 Euro eingefahren; es kursierte die Idee, Schiffe zu verkaufen. Im Sommer 2019 eskalierte die Lage. Erst im zweiten Anlauf einigten sich die Anteilseigner auf ein Sanierungskonzept, das auch einen Überbrückungskredit der Sächsischen Aufbaubank (SAB) über zwei Millionen Euro vorsah. Danach besserten sich, unter anderem durch einen flexibleren Fahrplan, die Passagierzahlen. 384 000 Fahrgäste gab es bis November, 19 Prozent mehr als 2018. Im Rekordjahr 2006 waren es freilich noch 760 000 Passagiere.
Auch die Saison 2020 begann verheißungsvoll - bis Corona den Fahrbetrieb zum Erliegen brachte. Zudem litten die Geschäfte der Tochterunternehmen »Elbezeit«, die sich um das Catering auf den Schiffen, aber etwa auch im Dresdner Zoo kümmert, sowie »Crashice«, eines Personaldienstleisters. Beide hatten zuletzt geholfen, Verluste bei der Flotte zu kompensieren. Kurz bevor diese am vorigen Freitag wieder ablegen sollte, gab es neue Probleme. Die für Mai vorgesehene Auszahlung einer zweiten Tranche des Darlehens der SAB kam nicht zustande. Man sei von der Bank informiert worden, dass sie »aus förderrechtlichen Gründen nicht erfolgen« könne, erklärte Jeffrey Pötzsch, einer der beiden SDS-Geschäftsführer. Ein Pressetermin, auf dem über die »nächsten Schritte in der Restrukturierung« informiert werden sollte, wurde abgesagt. Viel Zeit gibt es nicht; man brauche »binnen Wochenfrist eine Lösung«, sagte die Co-Geschäftsführerin Karin Hildebrand noch vor dem Insolvenzantrag.
Die beiden Chefs der Dampferflotte appellieren vor allem an den Freistaat. Man hoffe, dass sich Sachsen »der Bedeutung der Schiffe bewusst ist«, sagte Pötzsch, der diese in eine Reihe mit »Elbe, Elbsandsteingebirge, Frauenkirche, Semperoper, Blauem Wunder und Dynamo Dresden« stellte. Der Wunsch sei, dass sich der Freistaat »an einer langfristigen Lösung aktiv beteiligen will und wird«. Die Forderung wird aus Landes- und Kommunalpolitik unterstützt. Die Flotte sei »ein Kulturgut nicht nur mit Blick auf den Tourismus«, schrieb Rico Gebhardt, Chef der Linksfraktion im Landtag, auf Twitter; das Finanzministerium müsse »erklären, warum kein Geld mehr fließt und Jobs gefährdet sind«. Thomas Löser, Landtagsabgeordneter der Grünen, sagte, die Flotte sei »aus dem Stadtbild nicht wegzudenken«, sie brauche aber eine »realistische Neuausrichtung«, gegebenenfalls mit weniger Schiffen. Derzeit betreibt die Flotte neun historische Dampfer, deren ältester aus dem Jahr 1879 stammt, und zwei 1994 in Dienst gestellte Salonschiffe.
Auch Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) bringt neue Schiffe ins Spiel; er fordert Investitionen in eine Flotte, die besser mit niedrigen Wasserständen klar komme. Außerdem regt er an, die SDS in den regionalen Verkehrsverbund VVO einzugliedern - nach dem Vorbild der Dampfeisenbahngesellschaft, die seit 2019 zu zwei Verbünden gehört und Schmalspurbahnen in Radebeul, im Weißeritztal und in Oberwiesenthal betreibt. In einer Erklärung übte Hilbert zudem harsche Kritik: Es habe bisher »keine sichtbaren Bemühungen« gegeben, die Flotte »langfristig zu sichern«. Ob sich die Schelte gegen die Geschäftsführung oder gegen den Freistaat richtet, ließ er offen.
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