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Appetit auf Berlin
Deutsche Wohnen erwartet Ausfälle wegen des Mietendeckels - und kauft weiter Häuser
Die Deutsche Wohnen muss wegen des Berliner Mietendeckels ab November wohl für rund 30 Prozent ihrer gut 100 000 Wohnungen in der Hauptstadt die Mieten senken. Das sagte Vorstandsmitglied Lars Urbansky der Deutschen Presse Agentur. Das Unternehmen rechnet 2020 mit Mietausfällen von neun Millionen Euro durch das Gesetz, im nächsten Jahr mit 30 Millionen Euro. Bundesweit nahm es im vergangenen Jahr 837 Millionen Euro an Mieten ein.
»Wir werden hier auch in Zukunft weiterhin ein starkes Standbein haben«, sagte Deutsche-Wohnen-Vorstandschef Michael Zahn. Fast zeitgleich mit der Hauptversammlung des Konzerns am Freitag wurde der Kauf eines ganzen Pakets von 21 Häusern mit rund 400 Wohnungen in der Hauptstadt bekannt.
Allein zwölf Häuser liegen in Kreuzberg, davon elf in Milieuschutzgebieten. Laut dem zuständigen Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne) handelt es sich um 200 Wohnungen für einen Verkaufspreis von rund 90 Millionen Euro. »Die Mieten sind jetzt schon zum Teil recht hoch«, sagt Schmidt dem »nd«. Trotzdem werde die Ausübung des Vorkaufsrechts geprüft. »Möglich ist das, weil wir am letzten Dienstag im Bezirksamt die Kriterien dafür geändert haben«, so der Stadtrat. Bisher wurde amtlich davon ausgegangen, dass bei bereits hohen Mieten keine schützenswerte Bevölkerung mehr übrig ist und so der Milieuschutz ins Leere läuft.
»Nun prüfen wir auch, wenn die Aufteilung in Eigentumswohnungen droht«, sagt Schmidt. Die betroffenen Mieter werden dieser Tage informiert. Die Abwendungsvereinbarungen, die einen weiterreichenden Schutz der Mieter beinhalten, seien dem Käufer bereits zugestellt. »Wenn dem so ist, werden wir uns damit natürlich beschäftigen«, erklärt Deutsche-Wohnen-Sprecher Marko Rosteck auf nd-Anfrage. Falls der Konzern die Vereinbarung unterzeichnet, kann er die Ausübung von Vorkaufsrechten abwenden.
Zu dem Paket gehört vermutlich auch das Haus Falckensteinstraße 5 im Kreuzberger Wrangelkiez, aus dem alteingesessene Gewerbemieter wie ein Farbengeschäft und ein Kinderladen bereits vor vielen Jahren verdrängt worden sind. Verkäufer des Pakets ist laut Mietern des ebenfalls betroffenen Neuköllner Hauses Maybachufer 6 der Berliner Immobilieninvestor Christian Ernst Hollmann. »Der Verkaufspreis steht in keiner Relation zu den derzeitigen Mieten«, sagt ein Mieter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. In den fünf neu entstandenen Dachwohnungen werden Luxusmieten gezahlt, bei den restlichen 32 Wohnungen liegen die Mieten auf dem kiezüblichen, vergleichsweise niedrigen Niveau. Zwei weitere Häuser liegen in Mitte, Einzelobjekte in weiteren Bezirken.
Die Deutsche Wohnen setzt offenbar weiter darauf, dass der Mietendeckel fällt. Auf »Wirtschaftlichkeitsberechnungen« könne man nicht eingehen, sagt Rosteck dazu. Erst kürzlich verweigerte der Konzern einen Mietvertrag, weil das Jobcenter »nur« die Übernahme der Mietendeckel-konformen Miete bestätigt hatte, wie die ehemalige Linke-Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak öffentlich gemacht hatte. Das Unternehmen bestand auf einer Übernahmeerklärung zur sogenannten Schattenmiete. Diese höhere Miete soll gelten, falls das Berliner Landesgesetz vor den Verfassungsgerichten scheitert. »Bestätigt das Jobcenter in der Bescheinigung die Übernahme des Differenzbetrages nicht, können wir leider keinen Mietvertrag mit Ihnen abschließen«, heißt es lapidar in dem auf Twitter veröffentlichten Schreiben.
»Was die Immobilienlobby mit der Schattenmiete macht, ist, gezielt das gesetzgeberische Ziel und damit die Gesetzgebungshoheit zu unterlaufen«, schreibt Wawzyniak in ihrem Blog. In dieser Logik solle die Anwendung beschlossener Gesetze erst dann stattfinden, wenn diese abschließend vor Gericht geklärt seien. »Bis dahin gilt das Recht des Stärkeren«, so Wawzyniak. »Ich halte das Vorgehen der Vermieterlobby für schamlos«, erklärt sie.
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