»Berge im Bücherlager versetzen«

Corona und Buchmarkt: Wie geht es dem Mitteldeutschen Verlag?

  • Frank Willmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie ist die Lage im Mitteldeutschen Verlag in der Coronakrise?
Bedenklich. Rücklagen schmelzen rasant, das Frühjahrsprogramm 2020 verstopft das Lager und das Herbstprogramm musste reduziert werden. Wir sind alle in Kurzarbeit und haben immer noch halbierte Umsätze. Der Buchhandel ist vorsichtig, unsere Leserinnen und Leser sind verunsichert und haben (wie wir) zwischen Kinderbetreuung und Homeoffice wenig Nerven für eine genussvolle Lektüre.

Wie haben sich seit März die Verkaufszahlen entwickelt?
Im März sind sie umgehend auf 20 Prozent des Vorjahres gefallen. Nachdem auch Amazon den Buchverkauf eingestellt hat, gab es im April durch Handelsrücksendungen Minusumsätze, das erste Mal in 15 Jahren. Nun sind wir wieder auf halber Höhe.

Roman Pliske

Roman Pliske ist der Geschäftsführer des Mitteldeutschen Verlags in Halle (Saale). Er wurde 1970 in Berlin geboren, studierte Deutsch und Geschichte in Heidelberg. Es folgten journalistische Stationen in München, Berlin und Essen. 2001 war er Mitbegründer des Kioskmagazins »bücher«. Mit ihm sprach Frank Willmann.

Foto: Hans-Günter Lindner

Wie sehr mögen Sie Amazon?
Meine nicht vorhandene Zuneigung hat stark gelitten. Als sie uns geschrieben haben, dass bis Mai andere Produkte »priorisiert« werden, bin ich wirklich vom Glauben abgefallen. Monopolisieren und dann verhungern lassen, das ist kein faires, kaufmännisches Miteinander.

Was bedeutete die Absage der Leipziger Buchmesse? Findet die Messe in Frankfurt dieses Jahr statt?
Wir haben seit November 2019 auf die Messe hingearbeitet, 40 Veranstaltungen an drei Tagen, Werbematerial hergestellt und verteilt, Bücher platziert. Mit der Absage war alles futsch, die Sichtbarkeit (die wir einmal im Jahr so genießen) war gestrichen, der Rückenwind für den Sommer hin. An Frankfurt mag ich gar nicht denken, nachdem wir uns beim Gastland Kanada mit drei Spitzentiteln so stark engagieren.

Wie hat sich Ihr Frühjahrsprogramm verkauft? Mit welcher Konsequenz für das Herbstprogramm?
Das Frühjahrsprogramm liegt zu 80 Prozent im Lager. Und da wird es auch lange bleiben. Den Herbst mussten wir um ein Drittel reduzieren. Natürlich versuchen wir noch Interesse für unsere bereits erschienenen Bücher hervorzurufen, aber Hunderte andere kollegiale Verlage eben auch.

Ihr Krisenmotto?
Wenn du nicht lächeln kannst, eröffne keinen Laden.

Mussten Sie Mitarbeiter entlassen? Wie läuft es mit dem Kurzarbeitergeld?
Nein, Entlassungen sind nicht vorgesehen. Das Kurzarbeitergeld, wir arbeiten drei Tage die Woche, hilft dem Verlag, auch wenn jeder zwei- bis dreihundert Euro am Monatsende weniger auf dem Konto hat.

Welche Hilfe kam vom Staat?
Die Soforthilfe hat, als sie endlich kam, geholfen. Andere Angebote wie Kredite und Darlehen können wir aus wirtschaftlichen Gründen nicht ernsthaft annehmen.

Wie reagieren Kunden und Buchhändler in der Krise?
Großartig. Unsere Leserinnen und Leser, Freunde des Verlags und Kooperationspartner haben zusammen eine zweite Soforthilfe geleistet: Sie haben gekauft und mit tollen Ideen geholfen. Das trägt einen weiter!

Welches Ihrer Bücher würden Sie mir besonders ans Herz legen?
Grit Poppes »Angstfresser«, als Lesetherapie gegen Angst- und Panikzustände sowie Traumata. Spätestens wenn man das gelesen hat, ist man wieder zufrieden mit seinem Leben.

Glauben Sie noch an die Kraft von guten Büchern?
Immer. Damit werden wir Berge im Bücherlager versetzen.

Was erwarten Sie für die Zukunft?
Lesende in Bus und Bahn, auf Parkbänken und Bäumen, in Parks und Gärten, überall Papiergeraschel. Und glückliche Gesichter.

Welchen Wunsch haben Sie an den Büchergott?
Mach, dass Menschen an Bildschirmen und Displays wieder Hunger aufs echte Lesen bekommen. Tief versunken und mit einem Lächeln.

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