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Wenn auch weiße Kleinstädter protestieren
Die Proteste nach dem Tod von George Floyd dauern an, verbreitern sich und ändern die öffentliche Meinung
Es ist ein weiterer Erfolg für die Protestbewegung nach dem Tod von George Floyd, die mittlerweile historische Ausmaße annimmt. Neun von zwölf Mitgliedern des Stadtrates wollen die Polizei in Minneapolis auflösen - eine Mehrheit, die auch ein Veto von Bürgermeister Jacob Frey überstimmen könnte. Sie soll durch eine »nicht-gewaltsame Alternative« ersetzt werden. Landesweit wird derweil etwa im Kabelfernsehen eine ähnliche Protestforderung diskutiert: »Defund The Police«. Aktivisten haben in den letzten Tagen darauf aufmerksam gemacht, dass in vielen Städten der Polizeihaushalt der mit weitem Abstand größte Haushaltsposten ist - und der soll gekürzt werden, so die Forderung.
»Wir wissen, dass Amerikas Polizei brutal, rassistisch und armenfeindlich ist, aber sie ist auch ineffizient«, erklärte die Journalistin Josie Duffy Rice, die auf niedrige Aufklärungsraten auch bei schweren Verbrechen wie Mord trotz immer mehr Geld für die Polizei etwa in Städten wie Baltimore verweist. Wie andere kritisiert sie in Zusammenhang damit den Trend der polizeilichen Lösung sozialer Probleme.
Sie meint, Polizeibeamte sollten und könnten, wie es derzeit vielfach in den Vereinigten Staaten der Fall ist, nicht auch Sozialarbeiter sein, Erstansprechpartner bei psychischen Problemen sowie auch noch als »Manager« von Wohnungslosigkeit und anderen Problemen aufzutreten. Die vielen sozialen Probleme des Landes sollten stattdessen mit sozialstaatlicher Unterstützung bearbeitet werden, argumentieren Black-Lives-Matter-Aktivisten, die den »Defund«-Ansatz vertreten. Sie setzten sich etwa in Chicago dafür ein keine Polizisten in Schulen mehr zu stationieren.
In einigen Städten wie New York oder Los Angeles stehen die Zeichen auf »Kürzung« oder mittelfristig zumindest auf ein Ende von immer mehr Geld für einen Polizeiapparat, der bisher überwiegend Schwarze, Latinos und Minderheiten für geringe vermeintliche oder echte Vergehen hart im Alltagsleben angeht. In Philadelphia erklärten am Montagabend 14 von 17 Stadtratsmitgliedern in einem Brief, man werde einer eigentlich geplanten Mittelerhöhung für die lokale Polizei im Umfang von 14 Millionen Dollar nicht zustimmen. In der breiteren Öffentlichkeit gibt es jedoch laut einer YouGov-Umfrage mit 16 Prozent bisher nur wenig Unterstützung für »Polizeireduzierung«. Doch die Umfrage stammt vom Beginn der Protestwelle Anfang Juni, als die Diskussion über die »Polizeireduzierung« gerade erst begann.
Befragungen verschiedener Institute zeigen: Jahrelange Black-Lives-Matter-Proteste haben für einen Meinungswandel gesorgt. Anders als 2014 - nach der Tötung von Mike Brown in Ferguson - glaubt heute eine Mehrheit der US-Amerikaner nicht mehr, es handele sich dabei um »isolierte Vorfälle«. 61 Prozent sehen es als »Zeichen eines breiteren Problems«, wenn die Polizei Afroamerikaner tötet. Schon in den letzten Jahren sind insbesonders weiße Demokraten immer rassismusbewusster geworden, sehen etwa zunehmend die sozio-ökonomisch schlechtere Lage von Afroamerikanern nicht durch vermeintlich eigenes Verschulden, sondern durch Rassismus begründet, wie Langzeitbefragungen zeigen. Aktuelle Umfragen zeigen dieser Trend geht weiter und mehrheitliche Unterstützung für eine Reihe von Polizeireformen, wie ein Verbot von Würgegriffen.
Wie stark die Protestwelle in die Gesellschaft wirkt und das gerade weiße Amerikaner deutlich polizeikritischer werden, zeigt auch eine regelmäßige Umfrage der University of California in Los Angeles und der Zeitung USA Today. Innerhalb einer Woche sank die Zahl der weißen Befragten, die eine positive Sicht auf die Polizei haben, um 11 Prozent von 72 auf 61 Prozent. Gleichzeitig stieg in dieser Gruppe, die immer noch eine Mehrheit der US-Wähler stellt, die Zahl derer, die die Polizei negativ sehen von 18 auf 31 Prozent.
In den vergangenen Tagen ließen sich zwei Protesttrends beobachten: Immer mehr friedliche Demonstrationen, immer mehr Teilnehmer. Offenbar haben sowohl die anfänglichen Ausschreitungen als auch das harte Vorgehen der Polizei nicht abgeschreckt. Protestforscher der University Connecticut und der Harvard-Universität haben für die letzten 14 Tage über 1100 Black-Lives-Matter-Demonstrationen in den USA gezählt.
Sie bezeichnen die Protestwelle als »die größte in der Geschichte der USA«, größer als die »Women’s Marches« nach der Amtseinführung von Donald Trump und auch größer als die Protest in den 60er Jahren. Damals sei vor allem in Universitätsstädten demonstriert worden, argumentieren die Forscher des »Crowd Counting Consortium« um Jeremy Pressman und Erica Chenoweth. Jetzt aber habe sich der Protest auch auf kleine Orte und eher konservative und weiße Gegenden ausgedehnt. »Die Ausdauer und die Breite der Proteste sind atemberaubend«, erklärte auch der Soziale-Bewegungs-Historiker Tom Sugrue.
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