Mindestlohn auf unterem Niveau

Gutachten plädiert für Anhebung auf zwölf Euro

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Bei einem Mindestlohnverdienst von 9,35 Euro pro Stunde verdient man in Vollzeit 1584 Euro brutto im Monat. Lediglich Luxemburg (2142 Euro), Irland (1656 Euro), die Niederlande (1636 Euro) sowie Belgien (1594 Euro) haben damit einen höheren Mindestlohn innerhalb der EU, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Das klingt im Vergleich zunächst ganz gut. Doch der Schein trügt: Gemessen an der Kaufkraft und dem Durchschnittslohn der übrigen Bevölkerung liegt die gesetzliche Lohnuntergrenze im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedern im unteren Bereich.

Und das hat auch Auswirkungen auf die Konjunktur: Untere Einkommensgruppen geben einen größeren Teil ihres Lohns und Gehalts aus als andere. Jeder Euro mehr bei ihnen kurbelt also die Konjunktur an. In einem aktuellen Gutachten empfehlen deshalb Forscher der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung eine schrittweise Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro. Dies würde rund zehn Millionen Beschäftigte besserstellen. »Politik und Ökonomen sind sich einig, dass die Nachfrage in Deutschland nach den Einschränkungen zur Corona-Bekämpfung dringend angekurbelt werden muss«, erklärte Tarifexperte Thorsten Schulten vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Böckler-Stiftung bei Veröffentlichung des Gutachtens. »Ein deutlich höherer Mindestlohn kommt Beschäftigten zugute, die sehr wenig verdienen und zusätzliches Einkommen umgehend ausgeben werden.«

»Es ist in der aktuellen Situation besonders wichtig, die Erwartungen auf Einkommenssteigerungen der privaten Haushalte zu stabilisieren«, so Sebastian Dullien vom Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), das ebenfalls an dem Gutachten mitwirkte. Eine Anhebung des Mindestlohns könne hierzu einen wichtigen Beitrag leisten, da davon eine Signalwirkung für die gesamte Lohnentwicklung ausgehe.

Um den Unternehmen genügend Spielraum zur Anpassung an ein höheres Lohnniveau einzuräumen, wäre es nach der Analyse von WSI und IMK auch in Deutschland sinnvoll, die Erhöhung des Mindestlohns in einem mehrjährigen Stufenplan durchzuführen. Als Beispiel für solch ein Konzept nennen die Experten den im März 2020 abgeschlossenen Tarifvertrag in der Systemgastronomie. spo Kommentar Seite 4

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