Rassismus-Vorwurf gegen Rossmann-Mitarbeiterin

Schwarze Deutsche soll in Berliner Filiale der Drogeriemarktkette rassistisch diskriminiert worden sein / Vorwürfe wurden auch gegen die Polizei erhoben

  • Vanessa Fischer
  • Lesedauer: 6 Min.

Deutschland hat ein Rassismusproblem. Den jüngsten Beweis könnten am Dienstag eine Mitarbeiterin der Drogeriemarktkette Rossmann und die Berliner Polizei geliefert haben.

In der Filiale in der Tauentziehenstraße 8 nahe des Berliner Kurfürstendamms hatte die junge Afrodeutsche Vanessa H. nach eigenen Angaben gerade ihre Einkäufe mit ihrer Bankkarte bezahlt und auf dem Kassenbeleg unterschrieben, als sie die Rossmann-Mitarbeiterin an der Kasse dazu aufgefordert haben soll, sich auch noch mit ihrem Personalausweis auszuweisen.

«Die weißen Kunden vor mir, mussten sich natürlich nicht ausweisen», erklärt H. im Gespräch mit dem «nd». Die junge Frau, die mit einer Freundin und ihrem vierjährigen Sohn unterwegs war, zeigte der Mitarbeiterin daraufhin zunächst ihre Versicherungskarte, kurz später auch ihren Personalausweis.

Weil auf diesem neben dem Namen «Vanessa H.» auch noch ein zweiter Vorname aufgeführt ist, soll die Mitarbeiterin laut H. plötzlich von Kartenbetrug gesprochen haben. «Das ist völlig absurd», meint H. «Viele Menschen haben auf ihrer Bankkarte nicht ihren vollständigen Namen stehen.»

Doch damit nicht genug: «Die Kassiererin sagte immer wieder, dass eine Schwarze wie ich, keine Bankkarte besitzen könnte und, dass mein Name zu 'deutsch' für eine Schwarze klingen und deshalb nicht meiner sein könnte», berichtet H. dem «nd».

Weil laut H. auch das Hinzurufen der Filialleitung nichts half, entschied sie sich schließlich dafür, die Polizei zu rufen und eine Anzeige wegen rassistischer Diskriminierung zu stellen.

Zwanzig Minuten dauerte es laut H. dann, bis die Polizei schließlich vor Ort war. Doch statt die Anzeige aufzunehmen, wegen der sie diese eigentlich gerufen hatte, hätten auch die Beamten sie beleidigt: «Der Polizist sagte, es ist alles meine Schuld», erklärt H. Es sei das erste gewesen, was er zu ihr sagte, berichtet die junge Frau.

«Wie kann es sein, dass diejenige, die die Anzeige machen will, von der Polizei runtergemacht und am Ende der weißen Person geglaubt wird, gegen die die Anzeige aufgegeben werden sollte?», fragt H.

Initiativen und Verbände warnen vor Rassismus in der Polizei

Es ist genau das Szenario, auf das zahlreiche Initiativen und Verbände Schwarzer Deutscher und deutscher People of Colour in den vergangenen Tagen aufmerksam gemacht haben. Sie fordern deshalb eine unabhängige Struktur, die die Möglichkeit hat, bei rassistischen Vorfällen durch die Polizei zu intervenieren und tatsächlich auch Sanktionen zu verhängen, wie Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD) dem «nd» kürzlich verriet.

H.s «Glück im Unglück» könnte es gewesen sein, dass der Berliner Politiker Hakan Tas (Linke) «zufällig auf dem Weg zu einem Termin auf den rassistischen Vorfall aufmerksam wurde», wie er dem «nd» erzählt.

«Ich habe mich vor der Tür mit der jungen Frau unterhalten, um herauszufinden, was passiert ist», erklärt Tas. Etwa dreißig bis vierzig umstehende Personen hätten ihm die Geschehnisse bestätigt, so der Linken-Politiker. Auch mit der Polizei habe er das Gespräch gesucht, sagt Tas. «Die hat aber nur blockiert und auf die laufenden Ermittlungen hingewiesen.»

Er habe die Umstehenden daraufhin dazu aufgefordert, Telefonnummern mit der jungen Frau auszutauschen, um als Zeugen aussagen zu können. «Das Wichtigste ist, dass wir Opfer bei solchen rassistischen Vorfällen nicht alleine lassen, sondern lautstark unterstützen», meint Tas.

Vermutlich war es genau Tas' Aufmerksamkeit und der Druck der umstehenden Menschen, die die Polizisten dazu brachten, am Ende doch noch eine Anzeige aufzunehmen. Am Mittwoch äußerte sich die Berliner Polizei jedenfalls auf Twitter zu dem Vorfall und gab bekannt, «dass eine Strafanzeige aufgenommen und ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung mit rassistischer Motivation eingeleitet wurde.» Zwar habe die Behörde noch nicht alle Infos zusammengetragen, doch «wenn sich der Vorfall so abgespielt hat, dann steht ein strafbares oder disziplinarwürdiges Verhalten unseres Kollegen im Raum», schrieb die Polizei auf Twitter.

Wie sehr die Polizei tatsächlich an einer schnellen Aufklärung des Falls interessiert ist, wird sich zeigen: Am Donnerstagmorgen konnte ein Pressesprecher der Polizei zunächst nichts zu dem Fall sagen. «In der Pressestelle lag der Vorfall nicht auf Platz 1 der Tagesordnung», erklärte er dem «nd».

Auf eine schriftliche Anfrage bestätigte die Berliner Polizei eine Stunde später dann doch, dass «zu diesem Sachverhalt am 9. Juni 2020, unmittelbar nach Anzeigenerstattung, noch am Ort eine Strafanzeige aufgenommen und ein Strafermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beleidigung mit rassistischer Tatmotivation eingeleitet wurde.» Die über Twitter geäußerte Sachverhaltsdarstellung nehme die Polizei Ernst und lasse die Ereignisse und das geschilderte Verhalten des eingesetzten Polizisten durch die zentrale Beschwerdestelle der Polizei Berlin prüfen.

Auf Twitter zeigten sich viele Nutzer*innen diesbezüglich jedoch skeptisch. «Und dann verläuft, wie üblich, alles im Sande», schreibt ein User dazu. Hakan Tas kündigte bereits an, den Fall weiterhin zu begleiten.

Rossmann fiel schon durch rassistische Äußerungen auf

Bei Rossmann wollte man dem «nd» telefonisch keine Auskunft zu den Vorkommnissen geben. Auch auf eine schriftliche Anfrage antwortete die Drogeriemarktkette zum Stand Donnerstag Vormittag nicht.

Rossmann stand schon mehrfach für rassitisches Verhalten in der Kritik: So wurde 2017 bekannt, dass eine asiatisch aussehende Kundin von einer Kassiererin «menschenverachtend und diskriminierend» behandelt wurde, als sie Milchpulver kaufen wollte. Das berichtete damals die Märkische Allgemeine.

Und erst vor zwei Monaten hatte die Drogeriemarktkette für einen rassistischen Instagram-Post einen Shitstorm geerntet. «Nach #stayhome kommt #badhair», begann der Post. Darunter stand: «Wie wir kämpfen sicher viele von euch momentan mit rausgewachsenen Ansätzen und einer Wucherfrisur».

Auf dem dazugehörigen Bild ist eine Schwarze Frau zu sehen, die unzufrieden auf eine Strähnen ihres Afros schaut. «Hallo Rossmann, wieso ist ein Afro gleichbedeutend mit »«Bad Hair»? Das ist rassistischer Bullshit«, antwortete eine Nutzerin dazu auf Twitter. Wenig später löschte Rossmann den Post.

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