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Verzögerte Mitbestimmung

Behindertenparlament nimmt seine Arbeit auf, Corona verschärft die Probleme

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wenn wir heute im Abgeordnetenhaus gewesen wären, wären sehr viele Leute gekommen.« Da sei er sicher, sagt Christian Specht an diesem Donnerstag. Specht ist Initiator des Berliner Behindertenparlaments (BBP), das am 18. Juni seine Arbeit offiziell aufnehmen wollte. Vorgesehen war, dass sich die bisher über 100 Beteiligten für den Auftakt im Berliner Abgeordnetenhaus versammeln - wo die Parlamentarier*innen der Hauptstadt Gesetze erörtern und beschließen. Genau hier will das BBP zukünftig Mitbestimmung geltend machen - für die 800 000 Menschen mit Behinderung, die in der Stadt zu Hause sind. Aber diese erste große Zusammenkunft musste wegen der Corona-Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Zur Einweihung gibt es stattdessen nur einen kleinen Termin mit Journalist*innen und Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke).

Christian Specht wünscht sich deshalb zumindest einen Ort, der groß genug ist, um ab Herbst Treffen in größerem Rahmen zu ermöglichen. Dann könnten die bereits seit etwa einem Jahr laufenden politischen Tätigkeiten wenigstens in einen öffentlichen Raum verlagert werden - wo sie auch hingehören. In fünf Fokusgruppen (Arbeit, Bildung, Wohnen, Pflege und Gesundheit sowie Mobilität) soll dann, ähnlich den Ausschüssen im Abgeordnetenhaus, getagt werden.

Es sei dennoch ein großer Tag für die Menschen mit Behinderung in Berlin, sagt Gerlinde Bendzuck. Die Vorsitzende des Landesverbands Selbsthilfe übernimmt an diesem Tag die Rolle der Interviewerin und befragt Christian Specht zu seinen Erfahrungen in der Coronazeit. »Meine Struktur ist völlig zusammengebrochen«, berichtet Specht , der unter anderem Mitarbeiter der Tageszeitung »taz« ist. Plötzlich sei der Ort, an dem er täglich seiner Beschäftigung nachgehe, wie leer gefegt gewesen.

Der Großteil der Redaktion war ins Homeoffice gegangen. Für Specht nicht leicht zu verstehen und auch nicht leicht zu nehmen - erst als ihm Mitarbeiter*innen der Lebenshilfe über Videotelefonate die Möglichkeit einrichteten, ständig wie gewohnt mit seinen Kolleg*innen in Kontakt treten zu können, sei es ihm wieder besser gegangen, berichtet Specht: »Viele behinderte Menschen schotten sich in dieser Zeit ab, gehen nicht mehr raus, aus Angst vor Ansteckung und weil viele Abläufe, die ihnen Sicherheit geben, nicht mehr funktionieren.«

Auch Karin Dähn vom Landesverband der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft erklärt dem »nd«, wie die Coronazeit ihren Alltag erschwert. »Ich fahre nun gar nicht mehr mit der S-Bahn, weil ich Angst vor Ansteckung habe«, berichtet die passionierte Handbike-Fahrerin. Es ist ein Fahrrad, das nur mit den Armen angetrieben wird, wie es Rollstuhlfahrer*innen benutzen. »Ich wünsche mir breitere Radwege, auf denen ich überholt werden kann - und auf denen ich auch andere überholen kann«, sagt Dähn. Die bestehenden Mobilitätskonzepte müssten dringend umgesetzt werden.

Dass es gerade beim Thema Mobilität noch viel zu tun gibt, weiß auch Sozialsenatorin Elke Breitenbach. »Wir brauchen neue Ideen. Die, die wir hatten, reichen nicht«, beklagt die Senatorin. Beispielsweise mangele es nach wie vor an der Bereitschaft von Taxiunternehmen, Inklusionstaxis anzuschaffen. »Wir können immer nur sagen: Ruft das Geld ab, es ist da«, so Breitenbach. Die Sonderfahrdienste würde sie am liebsten perspektivisch bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) angliedern.

Zur Frage, wie sich in der Coronazeit die Situation der vielen Menschen, die in Behindertenwerkstätten arbeiten, absichern lässt, erklärt die Sozialpolitikerin: »Die Werkstätten sind ein Wirtschaftsfaktor.« Bisher habe das Land 500 000 Euro zur Absicherung gegeben. Das reiche aber nur bis Ende Juni. Dazu komme, dass viele Beschäftigte angesichts der coronabedingten Veränderungen an ihren Arbeitsplätzen unsicher sind und Angst vor Ansteckung haben. »Andere wollen aber unbedingt wieder arbeiten«, beschreibt die Senatorin die Stimmungen, die ihr Betroffene schilderten. Ein Großteil der Werkstätten war im Zuge der Eindämmungsverordnungen geschlossen worden.

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