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Freifahrtschein für die Polizei
In Baden-Württemberg sollen demnächst erneut die Befugnisse der Beamten ausgeweitet werden
Dem baden-württembergischen Innenminister Thomas Strobl kommen die Krawallen vom Wochenende in Stuttgart nicht ungelegen. Denn der CDU-Politiker braucht in der öffentlichen Debatte Argumente für eine erneute Verschärfung des Polizeigesetzes, die möglicherweise noch vor der Sommerpause durch das Parlament gebracht wird.
Die ganz große Mehrheit der Bürger stehe hinter der Polizei, mutmaßte Strobl. Es gebe aber Menschen, die »nicht repräsentativ seien« und die Beamten als »Feinde« sähen. Strobl drohte dem »Mob«, der noch »eine klare Antwort bekommen« werde.
Bald dürfte die Polizei in dem grün-schwarz regierten Bundesland mehr Möglichkeiten haben, um vor Großveranstaltungen eingreifen zu können. Nach Auskunft von Tobias Pflüger, der für den baden-württembergischen Landesverband der Linkspartei im Bundestag sitzt, sind unter anderem erleichterte Vorkontrollen bei Demonstrationen und Veranstaltungen, geringere Hürden für zahlreiche Überwachungsmaßnahmen sowie eine Ausweitung der öffentlichen Videoüberwachung vorgesehen. Hinzu kommen der Einsatz von Bodycams in Wohnungen sowie die erleichterte Überwachung von Personen, die in der Zukunft möglicherweise eine Straftat begehen könnten.
Ein erster Entwurf des baden-württembergischen Landeskabinetts wurde unter anderem von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) teilweise als grundgesetzwidrig eingestuft. Ähnlich äußerte sich der Anwaltsverband Baden-Württemberg. Die Kritiker befürchten, dass es für die Polizisten künftig einfacher wird, in die Grundrechte der Menschen einzugreifen.
Die Regierung sagte Änderungen zu, machte aber keine gute Informationspolitik. »Eine finale Fassung des Gesetzentwurfs ging dem Landtag immer noch nicht zu«, monierte kürzlich der frühere Landesjustizminister Ulrich Goll (FDP) gegenüber der »Heidenheimer Zeitung«.
Am 13. Juli vergangenen Jahres demonstrierten über 1000 Menschen in Stuttgart gegen die geplante Verschärfung vom Polizeigesetz in Baden-Württemberg. Insgesamt waren 50 Organisation, Parteien, Vereine und Initiativen beteiligt.
In Baden-Württemberg gibt es weniger Möglichkeiten als in anderen Bundesländern, Beamte zu identifizieren, die sich gewalttätig verhalten haben. Als sie noch mit der SPD zusammen regierte, hatten die Grünen eine Kennzeichnungspflicht für die Polizei geplant. Dieses Vorhaben scheiterte unter anderem am Widerstand aus den Reihen der Beamten.
Allerdings scheint die Kennzeichnungspflicht auch kein Herzensprojekt der Grünen im Südwesten zu sein. In den Koalitionsverhandlungen mit ihren künftigen Juniorpartnern von der CDU nach der Landtagswahl 2016 wurde das Thema beerdigt. »Eine individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und -beamte werden wir in dieser Legislaturperiode nicht einführen«, heißt es lapidar im schwarz-grünen Koalitionsvertrag.
Die Befugnisse der Polizei in Baden-Württemberg waren letztmals im November 2017 ausgeweitet worden. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte damals gesagt, dass man damit »an die Grenze des verfassungsmäßig Machbaren« gegangen sei. Trotzdem will Grün-Schwarz nun nachlegen.
Seit der letzten Verschärfung hat die Polizei in Baden-Württemberg die Erlaubnis, Granaten und Sprengstoff einzusetzen sowie Aufenthaltsanordnungen, Hausarrest und Kontaktverbote für sogenannte »Gefährder« zu verhängen. Sie verfügt auch über mehr Möglichkeiten, mit einem Staatstrojaner laufende Kommunikation zu überwachen. Außerdem wurde die »intelligente Videoüberwachung« im öffentlichen Raum eingeführt. Dadurch werden bestimmte Verhaltensmuster wie Schlagen, Rennen, Treten, Hinfallen über entsprechende Algorithmen erkannt und im Lagezentrum der Polizei gemeldet.
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