- Sport
- Dynamo Dresden
Fehler im Dynamo-Getriebe
Folge 153 der nd-Serie »Ostkurve«: Dresden geht gut vorbereitet in die dritte Liga, zum bevorstehenden Abstieg hat aber nicht nur das unfaire Verhalten der DFL geführt
Der Ton in Dresden ist zuletzt rauer geworden, der Zusammenhalt bei Dynamo stimmt aber zumindest teilweise. Als die Mannschaft am Sonntagabend gelandet war, wurde sie am Flughafen von Hunderten Fans empfangen. Das macht Mut für die bevorstehenden großen Aufgaben. Die SGD steht nach dem dritten Zweitligaabstieg vor einem erneuten Umbruch. Vor sechs Jahren führte der Gang in Liga drei zu einem Mitgliederboom - damals verzeichnete der Verein erstmals mehr als 15 000 Mitglieder. Heute sind es knapp 23 500.
Sportlich steht der Abstieg trotz des Sieges in Sandhausen so gut wie fest. Schlusslicht Dynamo hat drei Punkte weniger und ein um 14 Treffer schlechteres Torverhältnis als der Karlsruher SC auf dem Relegationsrang. Von einem Reporter auf die trügerische Hoffnung angesprochen, reagierte Markus Kauczinski nach dem Spiel entsprechend harsch: »Verarschen sie mich oder was?« Die Wortwahl des SGD-Trainers ist verständlich. Der Frust in Dresden ebenso.
»Das ist denen alles scheißegal. Wir sind die, die den verfickten Preis bezahlen für den ganzen Scheiß.« Mit diesen Worten hatte Dynamos Linksverteidiger Chris Löwe jüngst die Deutsche Fußball Liga (DFL) attackiert. Im Gegensatz zu allen anderen Konkurrenten, musste das Team der SGD vor dem Neustart der Bundesligen wegen positiver Coronatests zwei Wochen in Quarantäne bleiben - und infolgedessen im Abstiegskampf mit bislang acht Spielen in drei Wochen ein extrem hartes Programm absolvieren. »Unsere Spieler gehen auf dem Zahnfleisch, sie können einfach nicht mehr«, erläuterte Kauczinski.
Die hohe Belastung trifft die Mannschaft doppelt, weil auch keine professionelle Vorbereitung möglich war. »Wir kommen vom Balkon, haben zwei Wochen dort und im Wohnzimmer trainiert. Wir haben Krafttraining gemacht und sind Fahrrad gefahren. Das hat wohl vorher noch keiner gemacht, außer er will die Tour de France fahren«, veranschaulichte der Trainer die Trockenübungen seiner Fußballer. Die Zeit nach dem ersten Anpfiff beschrieb Kauczinski so: »Nur pflegen, ernähren, schlafen und dann hangeln wir uns von Tag zu Tag.«
Um all das zu vermeiden, hatte Dynamo Dresden innerhalb der DFL einen Antrag gestellt, die 2. Bundesliga später starten zu lassen. Aber nur Erzgebirge Aue und Holstein Kiel stimmten zu. Deshalb prüft der Verein jetzt rechtliche Schritte. »Was wir jetzt im Saisonendspurt erlebt haben, ist ganz offensichtlich eine Verzerrung des fairen Wettbewerbs in der 2. Bundesliga«, sagte Dresdens kaufmännischer Geschäftsführer Michael Born. Sein Team sei unnötig »in einen engen Terminplan gezwängt worden. In anderen Ländern ist es auch möglich, bis in den Juli die Saison weiterzuspielen.« Born kündigte an: »Das bedeutet auch, dass wir alle juristischen Möglichkeiten im Sinne von Dynamo Dresden ausschöpfen werden, um gegen diese Ungerechtigkeit vorzugehen, wenn wir damit Aussicht auf Erfolg haben.«
Egal, wie dieses Ansinnen endet: Gut vorbereitet ist der Verein auch für die 3. Liga, zumindest finanziell. »Wir sind sehr gut aufgestellt und gewappnet. Wir haben uns ein Eigenkapital von zehn Millionen Euro erarbeitet«, berichtete Born jüngst. Das ist ein großer Erfolg, gerade im Fußballosten Deutschlands. Diese positive Entwicklung ist auch eng mit Ralf Minge verknüpft. Die ehemalige Sturmlegende von Dynamo ist seit 2014 in seiner zweiten Amtszeit als Sportgeschäftsführer. Vor vier Jahren, im Frühjahr, vermeldete der Verein: »Der 21. März 2016 ist ein historischer Tag für die Sportgemeinschaft, denn Dynamo Dresden ist erstmals seit rund 25 Jahren wieder schuldenfrei.«
Seit drei Wochen steht fest: Minge hat keine Zukunft bei Dynamo. Sein Vertrag wurde vom Aufsichtsrat nicht mehr über den 30. Juni hinaus verlängert. Welchen Stellenwert der 59-Jährige hat, bezeugen nicht nur die vielen verärgerten Reaktionen in der Dresdner Fanszene. Helge Leonhardt, Präsident des sächsischen Rivalen Erzgebirge Aue, kommentierte den Schritt des Vereins wie folgt: »Bleib stark, Ralf. Ich denke, sie wissen nicht, was sie tun.« Minge ist von der Entscheidung selbst hart getroffen: »Ich hätte mir gern ein anderes Ende, einen anderen Abschied als Verantwortungsträger des Vereins gewünscht. Aber ich persönlich kann in den Spiegel schauen, und das war mir in meinem Leben schon immer wichtig.«
Letztlich wurde Ralf Minge weggelobt. »Seine Verdienste um unseren Verein sind enorm und unumstritten. Ihm gebührt höchste Anerkennung und Wertschätzung«, sagte Vereinspräsident Holger Scholze. Gescheitert ist der Sportgeschäftsführer aber an zweierlei Dingen: Einerseits war das Verhältnis zum kaufmännischen Geschäftsführer Michael Born schon länger stark belastet. In Liga drei bis hin zum Aufstieg 2016 funktionierte der Spagat zwischen finanzieller Vernunft und sportlicher Konkurrenzfähigkeit. Mit Born, der im Sommer 2016 als Nachfolger von Robert Schäfer zu Dynamo kam, entzweiten sich die gemeinsamen Vorstellungen über die Zukunft der SGD mehr und mehr.
Die sportlich schwerwiegenden Fehleinschätzungen von Minge begannen im August 2018 mit der viel kritisierten Entlassung von Aufstiegscoach Uwe Neuhaus, der jetzt mit Arminia Bielefeld den Sprung in die erste Liga geschafft hat. Keiner der folgenden Trainer konnte nachhaltigen Erfolg bringen. Und in dieser Saison gelang es nicht, eine durchsetzungsstarke Offensivabteilung zu formen. Mit nur 30 Toren in 33 Spielen ist Dynamo mit Abstand das ungefährlichste Team in der 2. Bundesliga.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.