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Auch Grüne jetzt gegen Hartz IV
Erwerbslose sollen nach einem Beschluss monatlich 179 Euro mehr erhalten, Sanktionen komplett gestrichen werden
Sozial- und Erwerbslosenverbände kritisieren seit der Einführung von Hartz IV die Prekarisierung der Betroffenen, den Zwang, jeden Job annehmen zu müssen, die grenzenlose Bürokratie und nicht zuletzt den Generalverdacht gegenüber Erwerbslosen. Auch die Partei Die Linke bemängelt seit jeher die Auswüchse des Hartz-IV-Systems und fordert dessen Abschaffung.
Dass jetzt auch die Grünen das Sanktionssystem kippen wollen, ist nicht selbstverständlich. Schließlich hat die Partei die Agenda 2010, und damit auch Hartz IV, in den Jahren 2003 bis 2005 zusammen mit der SPD erst möglich gemacht. Lange war danach die Rede von der Reformierbarkeit. Das dies nicht möglich ist, hat sich die Grünen-Fraktion im Bundestag am Dienstag eingestanden. Sie hat ein Papier vorgestellt, in dem sie so grundlegende Änderungen des Hartz-IV-Systems fordert, das diese faktisch nur durch eine Abschaffung möglich sind.
Die Grünen fordern eine Anhebung des Regelsatzes für Erwachsene auf 603 Euro pro Monat. Bisher liegt dieser bei 432 Euro. Auch die Kinderregelsätze sollen, je nach Alter, von aktuell maximal 306 auf bis zu 444 Euro steigen. Außerdem soll es eine »Garantiesicherung« geben. Das würde bedeuten, dass Sanktionen nicht mehr möglich wären. Niemand könnte dann noch zu Maßnahmen verdonnert werden. Die Nachweispflicht über Bemühungen zur Jobsuche würde demnach ebenfalls entfallen. Wie eine ganze Reihe weiterer Aspekte, die Hartz IV ausmachen.
Grundlage für die Forderungen der Grünen ist ein von ihnen im Auftrag gegebenes Gutachten der Verteilungsforscherin Irene Becker sowie Verena Tobsch vom »Institut für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung«. In dem Gutachten, das dem nd vorliegt, wird vor allem die Berechnung des Regelsatzes kritisiert: »Haushalte in verdeckter Armut (...) werden nicht ausgeklammert mit der Folge einer Verzerrung des maßgeblichen Konsumniveaus nach unten.« Unter anderem führe dies dazu, dass die Regelsätze seit Jahren auf einem so niedrigen Niveau lägen, das diese den Bedarf der Menschen nicht decken.
Laut dem Gutachten können Hartz-IV-Beziehende nur maximal 29 Prozent von dem Geld, das die gesellschaftliche Mitte für kulturelles und soziales Leben ausgibt, dafür verwenden. Die Grünen schreiben dazu, bei der Berechnung der Sätze würden willkürlich diverse Bedürfnisse wegfallen: »So wird Menschen in Hartz IV etwa der Anspruch auf mobile Telefonie, Medikamente ohne Rezept oder einen Weihnachtsbaum gestrichen.«
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands lobte die Grünen für ihre Forderung: »Hier wurde erkannt, dass der immense Druck, der auf die Ärmsten ausgeübt wurde, nichts gebracht hat.« Es sei mehr als überfällig, die überlebenswichtigen Regelsätze ohne Zwang auszuzahlen.
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