Werbung

Ja, ich will!

Today Is the Day

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Schöne am Metal ist die theatralisch zelebrierte Härte, von der, abgesehen von ein paar Irren aus Norwegen in den 90ern, eigentlich immer alle Beteiligten wussten, dass sie eben das ist: Theater. Das Genre weiß ums eigene Komik-Potenzial und kann deswegen ernst sein, ohne verbissen zu wirken, und lustig, ohne albern zu werden.

Anders als Indie, Jazz und Soul lebt Metal von überlieferten Formen und Gesten, die weiter variiert werden wollen, und gerade nicht von der Suggestion, man bekäme hier, sublimiert zu Musik, etwas »aus dem Innenleben des Künstlers« präsentiert. Definiert man Metal als Genre so, spielt Today Is the Day, laut Wikipedia eine »experimentelle Hardcore-/ Metal-Band aus Nashville (Tennessee)«, seit 1992 einen sperrigen Anti-Metal. Dieser nimmt nahezu alle Intensivierungstechniken auf, die das Genre in seinen extremeren Spielarten in den letzten Jahren entwickelte, und treibt sie weiter, indem er sie übersteuert.

Dem Sänger und Gitarristen Steve Austin ist etwas sehr Seltenes gelungen: Die Musik von Today Is the Day ist massiv und destruktiv und klingt trotzdem nicht nach Kraftmeierei. Keine Körperpanzer, wie sonst im Genre. Eher drängt sich das Bild auf, dass die Panzerung des herumschreienden Sängers zu zerbröseln scheint; und der ganze mal mehr, mal weniger infernalische Krach dient dazu, den Zerfall zu stoppen. Die Stimme Austins klingt in manchen Momenten wie abgeschnürt.

Alle paar Jahre wechselt Austin Bassist und Schlagzeuger aus. Das neue Album, »No Good to Anyone«, das erste seit sechs Jahren, ist wieder mit neuen Leuten eingespielt. Es geht noch immer ums Gleiche: Misanthropie, Auflösung und die Angst davor, Krankheit und Gewalt. Immer verbunden mit dem Gefühl beim Hören, dass hier einer wirklich daran glaubt, man könne all die fiesen Gefühle und in Austins Texten immer präsenten Gewaltfantasien loswerden, wenn man daraus Musik macht.

Die ersten Stücke teilen noch ordentlich autoaggressiv aus, mit oft gedoppelter Stimme, die wirklich schizophren klingt. Steve Austin schreit Sachen wie »I hate everyone«, und das ist vielleicht keine große Lyrik, aber man glaubt es ihm aufs Wort.

In der zweiten Hälfte wird das Album ruhiger und entfaltet geradezu psychedelische Qualitäten, wenn auch nicht im Sinne von Krautrock und Pilztrip. Die Stücke laufen irritierend zielgenau neben der Spur, immer eine Idee zu dissonant und zu dumpf abgemischt. Bassist und Schlagzeuger bereiten seltsam entspannt den Boden für alle manischen Überdrehungen. »You can’t beat the devil hard as you try«, krächzt Austin im Titelsong, und, klar: »You can’t escape what’s happening to you«.

Ein verzweifelt-abgeklärtes Extrem-Metal-Album. Man soll, mit dieser Musik im Ohr, das eigene und das Elend der Welt bestimmt in den Blick nehmen und sagen: »Ja, ich will.«

Today Is the Day: »No Good to Anyone« (BMG Records)

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.