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- Coronavirus in den USA
Linker Maskenchic schlägt rechte Patriotenkultur
Nicht Black-Lives-Matter-Demonstrationen, sondern die Politik der Republikaner ist der Grund für die hohen Covid-Fallzahlen in den USA
Auch wenn Amerikas Konservative es nicht wahrhaben wollen: Linke in den USA haben den besseren Umgang mit der der Coronavirus-Pandemie gefunden. Rechte hatten zu Beginn der Black-Lives-Matter-Proteste nicht ganz uneigennützig gewarnt, dies würde zu einem Anstieg der Fallzahlen führen. Sie warfen Protestlern und Linksliberalen vor, »scheinheilig« zu sein. Hatten die doch noch Wochen oder Tage zuvor für Corona-Einschränkungen argumentiert oder diese verteidigt.
An die Schließungen von Bars, Großveranstaltungen und Anordnungen, Zuhause zu bleiben, glauben Amerikas Konservative zwar nicht oder lehnen sie gar als Freiheitseinschränkung und »Unterdrückung« ab, doch die Argumentationslinie wurde gerne genutzt: Schließlich ging es um »Own the libs«, man wollte triumphieren über die verhassten »Liberalen« (ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Amerikas Konservative die Black-Lives-Matter-Proteste ablehnen und so ein scheinbares weiteres Argument gegen sie hatten).
Tatsächlich steigen die Zahl der Neuinfektionen in den USA seit Tagen an, ganz grob zwei bis drei Wochen nach Beginn der landesweiten Proteste – in etwa die Inkubationszeit von Covid19-Erkrankungen unter Berücksichtigung des Meldungsverzugs. Seit Tagen schon gibt es täglich rund 40.000 neue Fälle, deutlich mehr als am bisherigen Höhepunkt der Pandemie Ende April mit in der Spitze etwa 36.000 Fällen. Laut einer CNN-Analyse steigen die Fallzahlen in 36 von 50 Staaten, vor allem im Süden der USA. Kurz vor dem Nationalfeiertag am 4. Juli setzen 16 Staaten geplante Öffnungen aus oder verschärfen Maßnahmen wieder, in Florida und Kalifornien etwa wurden Strände wieder geschlossen, in Texas Bars.
Die rechte Influencerin und Fox-News-Kommentatorin Tomi Lahren erklärte scheinbar empört: »Der [demokratische] Bürgermeister von Nashville hat die Leute aufgefordert, mit ihm zu protestieren und jetzt haben wir einen Anstieg der Fallzahlen und eine Einschränkung unserer Freiheit durch die Vorschrift, Masken tragen zu müssen«.
Doch Forscher wiedersprechen der vielleicht auf den ersten Blick plausiblen These. Daten zeigen das Proteste offenbar nicht der Grund für steigende Covid-Neufallzahlen sind und was die möglichen Gründe dafür sein könnten. Laut einer Studie des National Bureau of Economic Research (NBER) kam es nicht zu einem nennenswerten Anstieg von Coronavirus-Fällen in 315 untersuchten Städten, von denen es in 281 von ihnen Proteste gab, in den anderen nicht. Die Auswertung von Mobilitätsdaten zeigt ein weiteres Phänomen in den untersuchten Gebieten: Menschen, die nicht am Protest teilnahmen, vertärkten ihr Social-Distancing-Verhalten, hielten sich offenbar aktiv vom Protest fern. Dieses Verhalten könnte die eventuelle leichte Verbreitung von Covid19 durch Protestierende in der Summe ausgeglichen haben, mutmaßen die Forscher. Insgesamt jedenfalls habe es in der Folge der Proteste »keine Übertragung der Krankheit in der Community« gegeben.
Die NBER-Forscher verweisen auch auf das Verhalten der Demonstrierenden selbst. Auf vielen Demonstrationen seien Masken getragen worden, teilweise sei gar Desinfektionsmittel verteilt worden. Das passt zu der weltweit beobachteten Erkenntnis, dass der Aufenthalt an der frischen Luft weniger problematisch ist als jener in geschlossenen Räumen. Diese scheinen dagegen vor allem und gerne von »freiheitsliebenden« Konservativen in republikanisch regierten Staaten besucht zu werden. Denn etwa zur gleichen Zeit des Beginns der Black-Lives-Matter-Proteste hoben hauptsächlich von den Konservativen regierte Bundesstaaten die Schließung von Bars und andere Corona-Einschränkungen auf, obwohl es in vielen Fällen noch keine deutliche Reduzierung der Neufallzahlen gegeben hatte.
Dazu passt auch, dass das von den Demokraten regierte New York City – die Stadt war besonders zu Beginn der Pandemie ein Covid-19-Hotspot – keinen Anstieg der Fallzahlen meldet. In der Neunmillionenstadt gibt es aktuell weniger als 350 gemeldete Neuinfektionen pro Tag, auf dem Höhepunkt der Pandemie Anfang April waren es über 6000. In der Stadt hatte es besonders viele und weiter andauernde Black-Lives-Matter-Demonstrationen gegeben. Ähnliches gilt für Washington DC oder Chicago, deren progressive Bürgermeisterin selbst durch Stadtviertel gefahren war und Menschen persönlich ermahnt hatte, die Einschränkungen nicht einhielten.
Parties und nicht Demonstrationen hätten zu einem Wiederanstieg der Fallzahlen im Landkreis geführt, erklärte die Gesundheitsbehörde in Whatcom County im Pazifikstaat Washington. Das hätte die Kontaktnachverfolgung bei Infizierten ergeben. Auch Washington war ganz zu Beginn der Pandemie stark betroffen, hatte das Virus aber relativ schnell und erfolgreich eingedämmt. Auch Behörden in Seattle und am Ursprungsort der Proteste in Minneapolis erklärten, bei den Protesten hätte es kaum eine Weiterverbreitung von Covid-19 gegeben.
Zudem: Auch wenn die Black-Lives-Matter-Proteste medial stark präsent waren, auch wenn es Proteste in über 1400 Orten gab und damit so hohe Beteiligung wie noch nie in der US-Geschichte, haben sich laut Umfragedaten insgesamt nur sechs Prozent der US-Bevölkerung an den Protesten beteiligt. Bars und Restaurants mit virologisch viel gefährlicheren beengten Innenräumen aber frequentieren vermutlich deutlich mehr US-Amerikaner, auch wenn sie durchaus auch dort in gewissem Maße Social Distancing in den letzten Monaten praktizierten, dies auch immer noch tun und weniger essen gingen als sonst.
Doch dagegen arbeitet in den vergangenen Wochen die politische Kommunikation vieler Gouverneure in den Bundessstaaten, die ihrer Bevölkerung mit der Lockerung von Einschränkungen signalisierten, die Gefahr sei gebannt. Einige republikanische Influencer und Politiker erhoben den Restaurantbesuch gar zur patriotischen Pflicht zum Stützen der Wirtschaft vor einem vermeintlichen Sabotageversuch an der US-Wirtschaft durch Propaganda der US-Demokraten.
Dass Proteste nicht der Grund für steigende Covid-Zahlen sind, machen auch andere Länder deutlich. In Australien etwa kam es Anfang Juni in mehreren Städten zu Black-Lives-Matter-Demonstrationen gegeben. Ende Juni gab es zwar etwas mehr Covid-Fälle. Doch Behörden und Virologen erklärten, die hingen nicht mit den Demonstrationen zusammen. Auch in Australien hatten Politiker mit Verweis auf Covid-19 vor der Teilnahme an Protesten gewarnt. Auch in Deutschland demonstrierten am 6. Juni rund 180.000 Menschen in 39 Städten. Trotzdem gab es zwei oder drei Wochen später keinen ähnlichen Anstieg der Fallzahlen, wie in den USA. Stattdessen gab es stark lokalisierte Ausbrüche in Fleischbetrieben oder in Häusern mit beengten Wohnverhältnissen.
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