»Wir können viele Dinge erreichen«
Turbine Potsdams Präsident Rolf Kutzmutz über die Kooperation mit Hertha BSC und den neuen Coach Sofian Chahed
Turbine Potsdam hat einen neuen Trainer, Sofian Chahed. Wie kam es zu dieser Verpflichtung?
Nachdem unser bisheriger Trainer Matthias Rudolph, der als Lehrer arbeitet, mitgeteilt hatte, dass er frühestens im Juli 2021 als hauptamtlicher Coach zur Verfügung stünde, gingen wir auf die Suche: Zwei Kandidaten passten dann gut zu uns, einer davon war Sofian Chahed. Und manchmal ist es in Gesprächen ja so, dass man sich gegenüber sitzt und schnell das Gefühl hat, man spricht mit einem guten Bekannten. Es gab in vielen Punkten Übereinstimmung, zudem passen Sofian Chaheds sportlichen Ambitionen haargenau zu uns.
War es eine Initiativbewerbung von Sofian Chahed?
Nein, er war einer derjenigen, die uns empfohlen wurden, nachdem wir bei Vereinen in der Region nachgefragt hatten. Hertha BSC hatte ihn empfohlen und das Okay gegeben, dass wir uns an ihn wenden können.
Ist diese Verpflichtung schon die erste Folge der neuen Kooperation mit Hertha BSC, die am Dienstag verkündet wurde?
Nein, ich könnte es im Nachhinein dazu machen, aber es ist wirklich ein Zufall. Es gibt keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Zusammenarbeit mit dem Berliner Bundesligisten, die wir beschlossen haben, und der Verpflichtung des Trainers.
Wie ist die Kooperation festgelegt?
Es gibt einen Vertrag, der ist ausgearbeitet, da hakt es jetzt nur noch an der Unterschrift. Aber darin ist alles so fix, dass es wirklich nur noch an der Unterzeichnung liegt.
Wie profitiert Turbine davon?
Turbine Potsdam profitiert vor allem von dem finanziellen Beitrag, den Hertha BSC leistet. Unsere Kooperation ist eine kreative Umsetzung der Forderung von Fritz Keller, dem DFB-Präsidenten, dass alle Lizenzvereine etwas für den Frauenfußball tun sollten. Hertha BSC hat keine eigene Frauenabteilung, anders als etwa der 1. FC Union Berlin.
Und was hat Hertha BSC von dieser Kooperation?
Für Hertha geht es um die Corporate Social Responsibility (Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung - d. Red.). Es geht darum, dass ein Millionenunternehmen freiwillig Geld gibt für ein gesellschaftliches Anliegen, das es vorantreiben will. Und wenn der DFB-Präsident sagt, Frauenfußball zu fördern sei eine solche Aufgabe, reagiert Hertha BSC und unterstützt einen Verein, der schon einen Namen hat, der in Deutschland und Europa bekannt ist.
Wie viel Geld fließt denn aus Berlin nach Potsdam?
Da gibt es einen berühmten Satz: Über die Höhe haben beide Vertragspartner Stillschweigen vereinbart.
Die Fusionen der Frauenvereine mit großen Männerklubs sorgen längst für neue Machtverhältnisse im Frauenfußball. Müssten sich die »Turbienen« langfristig nicht doch der Alten Dame anschließen?
Nein. Erste Konsequenz wäre ja ein neuer Name. Wie soll ich das dann nennen - Turbine Hertha? Oder Hertha Turbine? Wieso sollten wir die jetzige Situation aufgeben? Man kann ja auch in einer vernünftigen Kooperation sehr viele Dinge erreichen. Wir haben jetzt erst mal für drei Jahre eine Zusammenarbeit vereinbart und werden sicher nach zwei, zweieinhalb Jahren prüfen: Machen wir so weiter? Lohnt es sich für alle?
Zurück zum neuen Trainer, Sofian Chahed, Ex-Profi, 152 Bundesligaspiele bei Hertha und Hannover 96. Wovon kann Turbine am meisten profitieren?
Das Wichtigste ist sicherlich seine Profi-Erfahrung. Aber er passt auch vom Alter her gut zum Team. Ich glaube, dass er neue Impulse setzen kann, was Trainingsintensität, Abläufe oder neue Ideen insgesamt betrifft. Wir wollen, dass er nicht nur als Trainer der ersten Mannschaft fungiert, sondern auch die Leistungsmannschaften U13, U15 und U17 im Stadion Luftschiffhafen koordiniert und mit den anderen Trainern eng zusammenarbeitet.
Haben Sie im Spielerinnenrat nachgefragt, bevor Sie Sofian Chahed verpflichtet haben?
Als feststand, dass Matthias Rudolph nicht weitermacht, hab ich die Spielerinnen informiert und versprochen: Bis ihr in den Urlaub abreist, werden wir einen neuen Trainer präsentiert haben! Damit waren alle einverstanden. Wir haben dann heute früh um 9 Uhr das Team zusammengerufen und Sofian Chahed vorgestellt. Es war gut. Er hat eine erfrischende Art, auf Menschen zuzugehen. Nach der offiziellen Begrüßung habe ich Team und Trainer allein gelassen. Ich hatte den Eindruck, das ist sehr gut gelaufen: Die Spielerinnen sind mit entsprechend freudigen Gesichtern aus der Kabine gekommen.
Turbine Potsdam ist nun einer der wenigen reinen Frauenvereine in der Bundesliga. Auf Turbines Homepage gibt es ein Foto des erweiterten Vereinsvorstandes zu sehen: sechs Männer, eine Frau. Wann kommen mehr Frauen dazu?
Ja, das ist die Frage, natürlich gerade für die Tageszeitung, die Sie vertreten und die ich lese. Ich sage immer wieder: Es kann sich nur ändern, wenn eine der Frauen, die wir ansprechen, auch mitmachen will. Wir sind gerade im Gespräch mit einer weiteren Kandidatin. Wir versuchen, den Zustand schrittweise zu ändern. Meine Amtszeit geht noch ein Jahr, vielleicht gelingt es mir bis dahin, eine erfolgreiche Unternehmerin zu gewinnen, die bei Turbine einsteigen will. Ich würde auf jeden Fall Wahlkampf für eine Frau machen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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