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Airbus setzt den Rotstift an

Vor allem Angestellte in norddeutschen Produktionsstätten des Flugzeugbauers bangen wegen Corona um ihre Jobs

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Bis Corona angeflogen kam, war Airbus eine europäische Erfolgsgeschichte. Dann kam der Lockdown. Die IG Metall fürchtet nun eine »Katastrophe« für die Beschäftigten des Flugzeugbauers. Airbus hatte mitgeteilt, wegen der Luftfahrtkrise allein in Deutschland 5100 Stellen streichen zu wollen. »Es ist die schwerste Krise der Luftfahrt seit ihrem Bestehen«, sagte der deutsche Produktionschef Michael Schöllhorn am Mittwoch. »Und ja, so dramatisch gesagt, es geht ums Überleben.« Auch in anderen Ländern setzt der Konzern einen dicken Rotstift an: In Frankreich sollen 5000 Stellen wegfallen, in Spanien 900, 1700 in Großbritannien und 1300 an weiteren Standorten. Weltweit soll es rund 15 000 von 135 000 Arbeitsplätzen treffen.

Die IG Metall warnt davor, die Krise auszunutzen, um Airbus mal so richtig schlank zu schrumpfen. »Der angekündigte Abbau von Arbeitsplätzen wäre eine Katastrophe für die Menschen und die Standorte«, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter IG Metall Küste, in Hamburg. An einigen Standorten sei die Kurzarbeit erst vor zwei Monaten eingeführt worden. »Da ist es paradox, jetzt über einen solchen Arbeitsplatzabbau zu diskutieren.« Friedrich verwies in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch auf die Stellen von Leiharbeitnehmern.

Bis zur Coronakrise flog Airbus seinem Konkurrenten Boeing davon. Mit 863 zivilen Flugzeugauslieferungen erreichte Airbus im vergangenen Jahr einen neuen Rekord. Der Konzernumsatz stieg um rund elf Prozent auf 70,5 Milliarden Euro. Dabei ist Airbus mit seinem Produktsortiment deutlich schlagkräftiger aufgestellt als der durch das 737-MAX-Debakel gelähmte US-Wettbewerber.

Weltweit geriet die Luftfahrtindustrie durch die Pandemie ins Trudeln. Millionenfache Flugstreichungen zwingen die Airlines zu extremen Sparmaßnahmen. Trotz Staatshilfen, wie bei Lufthansa und Air France, wird dies »zu radikalen Veränderungen« in der Branche führen, ist Wolfgang Donie, Analyst der NordLB, überzeugt. Viele Airlines dürften dies auf Dauer nicht überleben. Das werde auch zu spürbaren Auswirkungen auf die Flugzeughersteller führen.

Besonders im Norden mit seinen großen Produktionsstätten ist die Sorge vor Entlassungen groß. In Hamburg sind 12 000 Menschen bei Airbus angestellt, in Bremen 3000 und im niedersächsischen Stade 2000. Dazu kommen Werke in Kassel, Bayern und Friedrichshafen am Bodensee mit laut Firmenangaben 15 000 Beschäftigten. Doch die Zahl der potenziell Betroffenen ist noch höher. Wie etwa auch im Schiffbau wird ein Großteil der Arbeiten von Fremdfirmen und Leiharbeitern geleistet. Allein an den Standorten im Norden, berichten Insider, sollen zuletzt rund 3000 Leiharbeiter tätig gewesen sein, von denen die Hälfte bereits ihre Arbeit verlor. Bei früheren Rationalisierungsprojekten wurden auch Teile der Produktion in selbstständige Zulieferfirmen ausgelagert, die nun ebenfalls betroffen sein dürften.

Ob die Luftfahrtkrise tatsächlich zu einem nachhaltigen Abschwung führt, ist durchaus umstritten. Selbst Airbus-Boss Faury rechnet bereits für 2022 mit einem Wiederanspringen der Nachfrage. Bei Flugpauschalreisen ins europäische Ausland steige die Zahl der Buchungen schon wieder kräftig, meldete am Donnerstag der Reiseverband DRV.

Europa steht ohnehin für kaum ein Drittel des Airbus-Umsatzes. Im lu-krativen Geschäft mit Geschäftsreisenden ruhen die Hoffnungen Faurys auf den aufstrebenden Volkswirtschaften im Mittleren Osten und in Südostasien. In China produziert Airbus seit 2008. In seiner globalen, vor Corona erstellten Marktprognose geht der Konzern davon aus, dass allein die Volksrepublik in den kommenden 20 Jahren rund 7560 neue Flugzeuge benötigen wird. Der langfristige Wachstumstrend in der Luftfahrt dürfte also intakt bleiben.

Die IG Metall warnt davor, in der Coronakrise die Zukunft des Unternehmens zu verspielen. »Gerade dann, wenn es wieder losgeht, brauchen wir Fachkräfte, um den Neustart anzugehen.« Gewerkschaften und norddeutsche Regierungspolitiker schlagen daher eine verlängerte Kurzarbeiterregelung vor. Danach könnte notfalls eine kollektive Arbeitszeitverkürzung folgen, ergänzt der Betriebsrat.

Die meisten Beschäftigen im Süden Deutschlands arbeiten ohnehin nicht in der Verkehrsflugzeugsparte. Sie stellen Hubschrauber her, arbeiten an Rüstungsprojekten und in der Raumfahrt. Am Mittwoch hat die europäische Raumfahrtbehörde ESA einen mehrere Hundert Millionen Euro schweren Auftrag für Erdbeobachtungssatelliten an Airbus vergeben. Erwartet wird nun, dass EU-Regierungen auch Rüstungsaufträge vorziehen werden.

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