Titelsammlerin und Vorbild

Pernille Harder lebt offen homosexuell und fordert Gleichberechtigung.

  • Andreas Morbach
  • Lesedauer: 4 Min.

Eine feine Prise Lebensweisheit verstreut Pernille Harder, wenn sie in diesen Tagen über den bevorstehenden Sommerurlaub spricht. Der fällt für die 27-jährige Dänin und ihre Wolfsburger Kolleginnen diesmal kürzer aus als gewohnt: Drei Wochen dürfen sich die Titelsammlerinnen vom Mittellandkanal nach dem Pokalfinale am Sonnabend gegen die SGS Essen erholen, dann beginnt schon die Vorbereitung auf die nächste Saison. »Aber das wird nur ein Problem sein, wenn wir es zu einem machen«, lächelt Harder, die vor dem Start in die kommende Spielzeit mit den Norddeutschen noch ein großes Ziel verfolgt.

Ab 21. August wird die wegen der Corona-Pandemie unterbrochene Champions League der Frauen in Bilbao und San Sebastian in Turnierform zu Ende gespielt. Vor zwei Jahren stand der VfL Wolfsburg im Finale der Königsklasse, unterlag Olympique Lyon aber mit 1:4 nach Verlängerung. Der Stachel dieser Niederlage sitzt tief - gerade bei der extrem ambitionierten Harder, die betont: »Ich habe großes Verlangen nach diesem Titel.«

Als Kind sollte sie einmal einen Aufsatz darüber schreiben, was sie in ihrem Leben erreichen will. Die kleine Pernille war gerade zehn, doch trotz ihres zarten Alters schrieb sie klipp und klar, nicht einfach nur Profifußballerin werden zu wollen. Sondern die beste auf der Welt. Manche glauben, die Stürmerin mit den hellblonden Haaren habe dieses Ziel bereits erreicht. Bei der WM im vergangenen Jahr durfte sie die größte Bühne ihrer Branche allerdings nicht betreten: Dänemark war in den Playoffs am späteren Vizeweltmeister Niederlande gescheitert.

Mit von der Partie beim globalen Turnier in Frankreich war Harder dennoch - als Zuschauerin. Im gelben Nationaltrikot Schwedens saß sie auf der Tribüne, um ihre Lebensgefährtin Magdalena Eriksson zu unterstützen. Als die durch das 1:0 gegen Kanada mit den Schwedinnen das Viertelfinale erreicht hatte, zog es Eriksson und Harder zueinander hin, die beiden Frauen küssten sich auf den Mund. Dass ein Fotograf dabei war, der die Szene im Pariser Prinzenparkstadion festhielt, wusste Harder zunächst nicht. Die - noch am selben Abend - 3000 neuen Follower auf Instagram und die größtenteils positiven Kommentare, die danach aus aller Welt bei ihr hereinflatterten, gefielen ihr allerdings sehr.

Harder wurde klar, dass sie als prominente Fußballerin durch den natürlichen Umgang mit ihrer Beziehung vielen anderen homosexuellen Menschen als Vorbild dienen, deren Leben erleichtern kann. Wie die noch bekannteren Kolleginnen Megan Rapinoe aus den USA und Ada Hegerberg aus Norwegen setzt sie sich zudem gegen Missstände und für Gleichberechtigung im Fußball der Frauen ein. Die wachsende Verantwortung als Sportlerin übernimmt Harder inzwischen auch in Wolfsburg. »Ich äußere jetzt mehr meine Meinung, sage, was ich denke und an was ich glaube«, betont die Angreiferin, die Ende 2016 beim VfL unterschrieb, mit dem Verein seitdem dreimal das nationale Double holte und mit einem Sieg im Kölner Pokalfinale die vierte Folge in dieser Serie schreiben kann.

Die Trophäe für die beste Torjägerin bekam sie bereits am vergangenen Sonntag - mit ihren 27 Ligatreffern erzielte sie gleich neun mehr als die zweitplatzierte Hoffenheimerin Nicole Billa. Gemeinsam mit Alexandra Popp und Almuth Schult, zwei der deutschen Olympiasiegerinnen von 2016, bildet sie seit dieser Saison zudem das Trio der VfL-Kapitäninnen. Sie bringe ihre Führungsqualitäten vor allem auf dem Platz ein, sagt Harder - und sieht sich »ein bisschen als die rechte Hand« von Trainer Stephan Lerch. In der gerade abgelaufenen Spielzeit erhielt die 1,68 Meter große Dänin enorm viel Einsatzzeit, wurde mit Blick auf die finalen Aufgaben auf der Zielgeraden der Saison aber auch immer mal wieder ausgewechselt.

Leicht sei ihm das nicht gefallen, erzählt Wolfsburgs Coach - und nennt als Beispiel die zähe Partie am drittletzten Spieltag gegen Freiburg. »Gefühlt war es ein Handballspiel - und da muss man eine Aktion haben, die den Unterschied ausmacht. Sie ist die Spielerin dafür - egal, in welchem Zustand sie ist«, nennt Lerch eine der fußballerischen Qualitäten von Harder, die gegen die Breisgauerinnen eine Viertelstunde vor ihrer Auswechslung zum 2:0-Endstand traf.

Beim Pokalfinale gegen Essen bekommt es die Jütländerin nun unter anderem mit ihrer künftigen Teamkollegin Lena Oberdorf zu tun. Die 18-jährige Allrounderin, seit letztem Sommer Deutschlands jüngste WM-Spielerin, wechselt zur kommenden Saison nach Wolfsburg. Der nächste gute Fang der Wolfsburgerinnen um Harder, die über Oberdorf sagt: »Sie ist sehr talentiert und gut am Ball, eine clevere Spielerin. Mit der richtigen Mentalität hat sie eine große Zukunft vor sich.«

Klare Gedanken über ihre eigene Zukunft hat sich Harder auch längst gemacht: Die dänische, schwedische und deutsche Liga kennt Pernille Harder bereits, zwei weitere Ligen sollen bis zum Ende ihrer Karriere noch hinzukommen. Sagt die Frau, die mit zehn schon wusste, dass sie einmal die beste Fußballerin auf dem Globus werden will.

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