Wohngebiete zugeparkt mit Lastkraftwagen
In Marzahn-Hellersdorf fordert die Linke ein Parkverbot für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen
Lastkraftwagen von Spirituosenfirmen und Möbelhäusern reihen sich an die von Speditionen, wenn man abends nach 18 Uhr oder an Wochenenden in den Straßen von Marzahn-Hellersdorf unterwegs ist. Stoßstange an Stoßstange parken sie jede Nacht auf der Märkischen Allee, der Havemannstraße, der Raoul-Wallenberg-Straße, der Hellersdorfer Straße und auf weiteren Straßen. Sogar Müllfahrzeuge und Reisebusse werden über Nacht hier abgestellt.
Für viele Anwohner wie beispielsweise die Rentnerin Uta Möbius ist das ein Ärgernis. »Warum können die nicht in ihren Firmen parken? Es fällt mir zunehmend schwerer, eine Straße gefahrlos zu überqueren, weil die großen Lkw mir die Sicht nehmen«, sagt sie. »Es ist auch laut, wenn die Brummer morgens um 5 Uhr ihr Auto wieder starten.« Auch Anwohnerin Karin Dalhus aus der Poelchaustraße ärgert sich: »In vielen Straßen ist eine ganze Fahrspur mit den Lkw zugeparkt. Das behindert Busse und Radfahrer. Sogar für Rettungsfahrzeuge sind die vielen parkenden Lkw immer öfter ein Problem.«
Gerd Bretschneider, Geschäftsführer der Fuhrgewerbeinnung, hält dagegen: Viele Lkw-Fahrer würden in Marzahn-Hellersdorf, aber auch in Spandau und Reinickendorf wohnen, während die Firmen im Berliner Umland sitzen. »Es spart Sprit und Zeit, wenn sie die Fahrzeuge in der Nähe ihrer Wohnungen parken, zumal die Liefergebiete ja auch in Berlin sind.« Kleine Fuhrunternehmen und Fahrschulen hätten oft kein Firmengelände, das Büro befinde sich in der Wohnung des Chefs. Und Gewerberäume anzumieten sei gerade im Ostteil der Stadt für Speditionen unmöglich. »Es gibt zu wenig Flächen und wenn, dann wollen die Vermieter hochpreisig vermieten und nicht an Speditionen, die viel Verkehr verursachen«, so seine Erfahrung. »Ja, es stört öfter mal Anwohner, wenn Fahrer morgens um 4 Uhr ihr Fahrzeug starten und dabei einige Zeit den Motor laufen lassen, bis er warm wird«, räumt Bretschneider ein. »Aber wir sind auch Steuerzahler. Da muss uns der Staat etwas zurückgeben.«
Das sieht der Abgeordnete Kristian Ronneburg (Linke) anders: »Steuern für öffentliche Straßen zahlen wir alle, nicht nur die Spediteure. Bei allem Respekt vor dem Berufsstand gehören parkende Lkw nicht in Wohngebiete.« Derzeit wird das Berliner Mobilitätsgesetz novelliert, das öffentliche Straßenland soll dabei neu aufgeteilt werden. Ronneburg hat in den Mobilitätsbeirat, der darüber debattiert, die Kritik über parkende Laster im Bezirk Marzahn-Hellersdorf eingebracht. »Ich war überrascht, dass hier auch in einem anderen Bezirk darüber Unmut besteht und gesetzliche Regelungen angemahnt werden«, sagt er.
In Marzahn-Hellersdorf ist die Angelegenheit der Linkspartei wichtig, aber auch der SPD und Grünen. Die Linke beantragt in der Bezirksverordnetenversammlung, einen Lkw-Parkplatz in einem Gewerbegebiet zu schaffen und kritisiert, dass Verkehrsstadträtin Nadja Zivkovic (CDU) das Problem nicht angehe. Das habe ihre Antwort auf eine Anfrage der SPD gezeigt.
Dringend gelöst werden muss das Problem an der Märkischen Allee. Denn dort soll, so hat es das Bezirksamt bereits 2019 beschlossen, ein Radweg entstehen. »Wenn wir keine neuen Flächen versiegeln wollen, bleibt nur, dafür die Spur zu nutzen, die derzeit mit Lkw vollgeparkt ist«, sagt Linksfraktionschef Björn Tielebein. Er fordert die Stadträtin auf, so eine Lösung gemeinsam mit der Landesebene zu schaffen und endlich energisch gegen illegal in Wohngebieten parkende Laster vorzugehen.
Doch letzteres ist gar nicht so einfach. Gesetzlich ist das regelmäßige Parken von Lastkraftwagen in Wohngebieten zwar über Nacht sowie an Wochenenden untersagt, aber es gibt zahlreiche Schlupflöcher. Erstens zählt nach dem Gesetz nur ein Fahrzeug über 7,5 Tonnen als Lkw. Die Fahrzeugindustrie hat auf die Gesetzeslage reagiert und produziert Brummis, die zwar wie ein ganz normaler Laster aussehen, aber doch geringfügig leichter sind. Zweitens gilt das Parkverbot nicht für Zufahrtsstraßen, die planungsrechtlich nicht zum Wohngebiet zählen. Und drittens ist nur das regelmäßige Parken untersagt. Will das Ordnungsamt das ahnden, muss es nachweisen, dass das konkrete Fahrzeug regelmäßig nachts am selben Ort steht. Das gesetzlich zulässige Bußgeld für regelmäßige Verstöße ist mit 30 Euro zudem lächerlich gering.
Für »nd« war Nadja Zivkovic nicht erreichbar. Im »Tagesspiegel« wird sie zitiert, dass die meisten der Fahrzeuge, die zwar wie ein Lkw aussehen, aber rein rechtlich keiner seien, rechtmäßig parken und die Behörden somit machtlos seien. Allein eine Änderung der Straßenverkehrsordnung auf Bundesebene würde da helfen. Damit will sich die Linke nicht abfinden. Sie fordert, ein Parkverbot für Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen in Wohngebieten zu prüfen und will den Antrag im August abstimmen lassen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.