Venezuelas unerreichbarer Goldschatz

Britisches Gericht weist Klage auf Herausgabe ab. Für die finanziell angeschlagene Regierung Maduro ist das ein schwerer Schlag

  • Andreas Knobloch
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Fünftel der weltweiten Goldreserven lagert in den Tresoren der Bank of England. Diese sind heiß begehrt, da in der 320-jährigen Geschichte der britischen Notenbank noch nie ein Barren gestohlen wurde. Auch Venezuelas Zentralbank hat hier 31 Tonnen Gold im Wert von aktuell fast 1,8 Milliarden US-Dollar sicher geparkt.

Offenbar sogar zu sicher. Die Zen-tralbank forderte im Auftrag der Regierung von Nicolás Maduro etwa die Hälfte des Goldbestandes an, doch die Bank of England verweigerte die Herausgabe. Eine Klage scheiterte in der vergangenen Woche. Das Londoner Gericht urteilte, dass Großbritannien nicht Maduro als Präsidenten anerkenne, sondern den Oppositionspolitiker Juan Guaidó. Daher müsse das Gold nicht ausgehändigt werden.

Venezuelas Zentralbank kritisierte das Urteil als »absurd und ungewöhnlich«. Es stelle einen »Akt der Piraterie« dar, der inmitten der Corona-Pandemie »das Recht des venezolanischen Volkes auf Gesundheit und Leben verletzt«. Die Regierung spricht von »Goldraub« und will in die Berufung gehen.

Schon seit 2018 versucht Caracas, die Herausgabe des Goldvermögens zu erreichen. Der Erlös von rund einer Milliarde US-Dollar soll direkt an das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen fließen, um in Venezuela Notmaßnahmen gegen die Coronakrise zu finanzieren sowie Medizin und Lebensmittel einzukaufen. Guaidó, nach mehreren erfolglosen Umsturzversuchen gegen Maduro auch im eigenen Lager angezählt, hat eine andere Sicht: »Sie versuchen das Gold zu stehlen«, polterte er. Mit dem Gold werde »Folter finanziert«.

Während das Londoner Urteil dem Oppositionspolitiker gelegen kommt, ist es für die Regierung Maduro ein harter Schlag. Die Goldreserven in London sind eines der letzten übrig gebliebenen großen Vermögen aus Venezuelas Tagen als Ölsupermacht.

Das Land befindet sich seit Jahren in einer tiefen Wirtschafts- und Versorgungskrise. Mehrere Millionen Venezolaner emigrierten in Nachbarländer wie Kolumbien, Peru oder Chile. Venezuela sitzt zwar auf sehr großen Ölreserven, doch die Förderung ist nach jahrelanger Misswirtschaft, Korruption und fehlenden Investitionen eingebrochen. Verschärft wird die Lage durch Sanktionen der USA gegen den venezolanischen Ölsektor. Die Raffinerien sind so heruntergekommen, dass sie heute kein mehr Benzin produzieren. Und so kämpfen die Venezolaner inmitten der Coronakrise mit einem beispiellosen Kraftstoffmangel. Vor wenigen Wochen versorgten fünf Öltanker aus dem Iran das ölreiche Venezuela mit Benzin.

Hinzu kommen der Einbruch des Ölpreises, Hyperinflation und Versorgungsprobleme. Durch die weltweite Coronakrise wird die Notlage noch verschärft. Zu Beginn der Pandemie wies der Internationalen Währungsfonds eine Bitte der venezolanischen Regierung um einen Notkredit in Höhe von fünf Milliarden Dollar ab.

Das Einfrieren von Auslandsvermögen wie des Goldes in London ist Teil eines politischen Plans, um die Regierung in Caracas finanziell unter Druck zu setzen. Im vergangenen Jahr konfiszierte die US-Regierung Konten und Liegenschaften des venezolanischen Erdölunternehmens Citgo und übergab diese der Kontrolle der Opposition. Citgo ist eine Tochtergesellschaft des Staatskonzerns PdVSA mit Sitz in Houston. Der Wert der Raffinerien und des Tankstellennetzes wird auf rund sieben Milliarden US-Dollar geschätzt. Citgo hatte es bis dahin der Regierung ermöglicht, Rohöl auf dem US-Markt zu verkaufen, und fungierte zudem als Sicherheit für Schulden.

Donald Trumps Ex-Sicherheitsberater John Bolton schreibt in seinem kürzlich erschienenen Buch, dass Großbritanniens damaliger Außenminister Jeremy Hunt bei einem Treffen in Washington zugestimmt habe, die Bank of England für den Kampf der USA gegen Maduro zu gewinnen. »Dies waren«, so heißt es in dem Buch, »die Art von Schritten, die wir bereits unternommen haben, um Maduro finanziell unter Druck zu setzen.«

Das Londoner Gold-Urteil wird auch in Frankfurt am Main mit Interesse verfolgt worden sein: Die Deutsche Bank schuldet Venezuela nämlich rund 120 Millionen US-Dollar. Weil Venezuela einen 750 Millionen Dollar schweren Kredit aus dem Jahr 2016 nicht bediente, pfändete die Bank das als Sicherheit hinterlegte Gold - dieses ist seither deutlich im Wert gestiegen.

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