Keeper, bleib im Kasten!

Viele gestandene Handballtrainer wollen die Regel abschaffen, die den fliegenden Austausch von Torhütern mit Feldspielern ermöglicht

  • Eric Dobias, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Torhüter soll nicht mehr aus dem Tor: Schon die Einführung der Sieben-gegen-Sechs-Regel kurz vor den Olympischen Spielen 2016 wurde einst von großer Skepsis im Welthandball begleitet. Vier Jahre danach regt sich nun offener Widerstand gegen das taktische Mittel, den Torwart jederzeit durch einen Feldspieler ersetzen zu können. In einer Umfrage des Fachmagazins »Handballwoche« unter 38 internationalen Spitzentrainern im Männer- und Frauenbereich votierte die große Mehrheit für die Abschaffung der Regel.

Zu den scharfen Kritikern gehören auch die Bundestrainer Alfred Gislason (Männer) und Henk Groener (Frauen). »Ich glaube nicht, dass der Handball attraktiver wurde. Im Gegenteil! Die Regel macht das Spiel viel langsamer«, sagte Gislason dem Blatt.

Der 60 Jahre alte Isländer steht seit mehr als 20 Jahren an der Seitenlinie und sieht sich mittlerweile sehr eingeschränkt. »Trainer verlieren besonders in der Abwehr ihre taktischen Varianten«, sagte Gislason, »und wenn sich nichts ändert, wird sich in zehn Jahren niemand mehr daran erinnern, wie Handball eigentlich gespielt wurde, nämlich Sechs gegen Sechs mit vielen unterschiedlichen Varianten in Abwehr und Angriff.«

Durch die Möglichkeit, den Torwart bei Ballbesitz aus dem Spiel zu nehmen und dafür einen Feldspieler zu bringen, werden vor allem abwehrstarke Teams wie Deutschland benachteiligt. Zwei-Minuten-Zeitstrafen bedeuten für die angreifende Mannschaft kaum noch einen Nachteil, weil sie die Unterzahl durch die taktische Maßnahme ausgleichen kann. Zudem haben einige Teams wie der EM-Sechste Portugal das Sieben-gegen-Sechs-Spiel mittlerweile perfektioniert und agieren im Angriff fast das gesamte Spiel über in Überzahl. Dadurch gibt es jedoch auch seltener Abwehrvarianten mit vorgezogenen Verteidigern.

Wie Gislason macht sich auch Groener dafür stark, die Uhr im Handball-Regelwerk zurückzudrehen. »Je schneller man diese Regel abschafft, desto besser ist es!«, sagte Groener. »Die Räume wurden enger, das Spiel wurde langsamer. Und: Die Treffer ins leere Tor sind sehr unattraktiv für die Fans.«

Der 59-Jährige, der die Niederlande in die Weltspitze führte und seit 2018 die deutschen Frauen betreut, sieht einen weiteren negativen Aspekt. »Noch gravierender sind die vielen Verletzungen von Torhütern, denn die sind bei der Rückkehr auf das Feld nur auf den Ball fixiert und versuchen mit allen Mitteln, ein Tor zu verhindern«, mahnte er.

Zu den Unterstützern der Initiative gehören auch die Bundesligatrainer Filip Jicha vom THW Kiel und Maik Machulla vom Vizemeister SG Flensburg-Handewitt. Für eine Beibehaltung der Regel sprachen sich unter anderen Dänemarks Weltmeistertrainer Nikolaj Jacobsen und Kroatiens Coach Lino Cervar aus.

Beim Weltverband IHF stößt der Protest dennoch auf offene Ohren. »Wir werden uns die Argumente sehr intensiv anschauen«, sagte der Vorsitzende der Trainer- und Methodenkommission, Dietrich Späte. Nicht nur Groener hofft auf schnelle Einsicht der Regelhüter. Für den Bundestrainer steht fest: »Wenn alle Mannschaften Sieben gegen Sechs spielen, werden weniger Zuschauer zum Handball kommen, weil andere Sportarten für sie dann attraktiver sind.« dpa/nd

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