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Leroy Sané im DFB-Team: Wenn der linke Fuß nur lässig wackelt
Der 28-Jährige hat es im Nationalteam nicht leicht – ein weiteres Zeichen für die gute Entwicklung unter Julian Nagelsmann
Vieles hat Julian Nagelsmann in seinen bislang fast 14 Monaten als Bundestrainer verändert – und dabei vieles richtig gemacht. 2024 ist das beste Länderspieljahr seit langer Zeit: Nach bislang 13 Partien liegt Nagelsmanns Punkteschnitt bei 2,31, sein Team kassierte durchschnittlich nur 0,69 Gegentore, die einzige Niederlage gab es im Viertelfinale der EM gegen den späteren Europameister Spanien.
All das Positive, »die Freude«, wie der Bundestrainer sagt, will er mit ins neue Jahr nehmen. Also gilt es nun, nach der bereits erreichten Qualifikation für das Viertelfinale der Nations League, in den letzten beiden Spielen den Sieg in der Gruppe 3 zu sichern. Bei fünf Punkten Vorsprung auf die Niederlande und Ungarn wäre das Ziel schon mit einem Erfolg an diesem Sonnabend in Freiburg gegen das Team aus Bosnien-Herzegowina erreicht, drei Tage später in Budapest gäbe es gegen Gastgeber Ungarn eine weitere Chance.
Forderung des Bundestrainers
Seit Montag hat der Bundestrainer seine Mannschaft auf dem Campus des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Frankfurt am Main versammelt. Mit dabei ist auch wieder Leroy Sané. Den Offensivspieler des FC Bayern nennt Nagelsmann »einen der besten Spieler, die wir in Deutschland haben«. Verzichtbar ist Sané in dem neuen Gefüge des Teams mittlerweile allemal, diesmal wurde er für den verletzt fehlenden Stuttgarter Stürmer Deniz Undav nachnominiert. »Was er kann, weiß jeder. Es liegt an ihm, das auch zu zeigen«, formulierte der Bundestrainer eine klare Forderung.
Kaum ein anderer Spieler personifiziert die Entwicklung des DFB-Teams besser als Sané. Die Jahre des Misserfolgs unter den Bundestrainern Joachim Löw und Hansi Flick waren von der Selbstherrlichkeit geprägt, als deutsche Nationalmannschaft gottgegeben zu den Besten zu gehören. Vernachlässigt wurde jedoch vieles, was dafür notwendig ist. Wenn Sané mal wieder aufreizend lässig mit seinem linken Fuß wackelte, der Ball dann aber nach einem verlorenen Zweikampf oder einem Fehlpass plötzlich weg war und er selbst majestätsbeleidigt stehen blieb, stellte er fehlende Leidenschaft, Eigensinn und die Unlust am Verteidigen gleichermaßen zur Schau.
Verschwendetes Talent
Sein Potenzial zu zeigen, das könne kein anderer für ihn erledigen, sagt Nagelsmann über Sané. Über einen Menschen, der ein Tattoo von sich selbst auf dem Rücken trägt und im Hochsommer mit einer Designer-Lammfelljacke zur Nationalmannschaft anreist, muss man nicht urteilen. Damals, 2019, war Sané 23 Jahre alt und zeigte sein Können beständig in der englischen Premier League. Ein Jahr zuvor wurde er dort als bester Jungprofi ausgezeichnet. Bei Manchester City unter Trainer Pep Guardiola funktionierte er, weil er einer unter vielen war, die großen Stars waren andere. Sané wollte aber unbedingt einer sein. Als er 2020 zum FC Bayern wechselte, war ihm nach eigener Aussage »bewusst«, das neue Aushängeschild des deutschen Rekordmeisters zu sein: »Darauf habe ich mich vorbereitet.« An diesem Punkt stockte seine Karriere, die großen Erfolge blieben sowohl im Verein als auch im Nationalteam aus. Über einen Fußballer, der sein Talent verschwendet, darf man urteilen.
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Beim FC Bayern ist Sané ebenfalls nicht unumstritten. Das Nationalteam ist eine Chance für ihn, die Nagelsmann ermöglicht. Für ihn gelte, sagte der Bundestrainer, wie für alle anderen: »Er hat eine gewisse Rolle zu erfüllen.« Solche Ansprüche sollten normal sein, waren es beim DFB aber lange Zeit nicht. Löw und auch Flick fehlten Einsicht und Mut zu Veränderungen und waren deshalb durchaus abhängig von Lust und Laune der Nationalspieler. Nun reicht das Prädikat Weltklasse allein nicht mehr, um zu spielen. Nicht mal, um überhaupt in den Kader berufen zu werden.
Neuer Teamgeist
Den positiven und gewinnbringenden Wandel beschrieb jetzt in den Tagen der Vorbereitung einer, der weit davon entfernt ist, im Mittelpunkt zu stehen. »Jeder läuft für den anderen, alle hauen alles rein«, sagte Robin Koch. Der Frankfurter Verteidiger war bei der Heim-EM im Sommer der einzige Feldspieler, der es nicht von der Bank auf das Spielfeld geschafft hatte. Trotzdem habe er in jedem Spiel mitgefiebert und sei im Training immer voll dabei gewesen. Auf den Punkt bringt es Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt vom VfB Stuttgart: »Wir sind alle stolz, überhaupt dabei zu sein.« Dieser neu entfachte Teamgeist ist ein entscheidender Grund für die unter Nagelsmann wiedergewonnene defensive Stabilität, ohne die Erfolg unmöglich ist.
Ob auch Sané diese neue Lust verspürt, Nationalspieler zu sein, konnte noch nicht wirklich festgestellt werden. Am Mittwoch und Donnerstag ließ Nagelsmann sein Team lieber unbeobachtet trainieren. Um künftig die vom Bundestrainer geforderte Rolle spielen zu dürfen, muss sich Sané jedoch unweigerlich in die Mannschaft einreihen sowie Taktik und System unterordnen. Gelingt ihm das, ist die Chance Nationalteam auch eine für seine Karriere, die er mit 28 Jahren nochmal anschieben könnte. Wie schwer er sich aber damit tut, verriet der Bundestrainer rückblickend auf die EM: Da sei er unzufrieden gewesen. Nachdem Nagelsmann Sané im Viertelfinale zur Halbzeit ausgewechselt hatte, agierte das DFB-Team sofort wieder auf Augenhöhe mit den Spaniern.
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