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Die »sicheren Häfen« stehen bereit
161 Städte und Gemeinden in Deutschland wollen mehr Geflüchtete aufnehmen / Aktivistin: »Überall in Europa stellen sich Bürgermeister gegen die EU-Flüchtlingspolitik«
Vor Kurzem ist Schwanewede dazu gekommen. Die Gemeinde nördlich von Bremen ist jetzt auch ein »sicherer Hafen«. »Der Rat der Gemeinde Schwanewede bekennt sich zu seiner Verantwortung, Menschen zu helfen«, die ihre »Heimat« verlassen müssten und die »in Deutschland Zuflucht suchen«, heißt es im Ratsbeschluss von Mitte Juni. Das Abstimmungsergebnis: 20 Ja-Stimmen von Grünen, SPD, Linke und FDP, drei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen.
Der Beschluss beinhaltet auch das Ziel von Flüchtlingshelfern vor Ort und der Grünen, die den Antrag eingebracht hatten: Die Gemeinde sei bereit, weitere Geflüchtete aufzunehmen, insbesondere diejenigen, »die sich in Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln befinden«. Stand Dienstag führt das zivilgesellschaftliche Bündnis »Seebrücke« auf einer Karte 161 Gemeinden und Städte in Deutschland auf, die erklärt haben, Geflüchtete aufnehmen zu wollen. »Vermutlich sind es mehr, es hat sich ein bisschen verselbstständigt«, sagt Seebrücke-Aktivistin Liza Pflaum.
Im Kreistag von Steinburg in Schleswig-Holstein dagegen scheiterte am Dienstag ein entsprechender Antrag mit 27 zu 20 Stimmen von Sozialdemokraten, Grünen und Linke. »Der schwarze Block hat dagegengestimmt«, erklärte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Heinrich Voss gegenüber »nd« die Ablehnung der Erklärung durch die konservativen Abgeordneten der CDU, aber auch durch die der FDP und AfD. Doch einer scherte aus der rechten Einheitsfront aus: Der CDU-Fraktionsvorsitzende Reinholf Wenzlaff enthielt sich. »Er war 2015 sehr aktiv bei der Flüchtlingsaufnahme«, erklärt Voss. Die Kommunen selbst müssten Aufnahmebereitschaft erklären, so die Meinung der Kreistagsmehrheit. Der Kreis könne nur »unterstützend« tätig werden. Das ist ein »vorgeschobenes Argument«, sagt Antragstellerin Gerlinde Böttcher-Naudiet von der SPD zu »nd«. Der Beschluss sei »einfach nicht gewollt« gewesen. Immerhin: Die Kreishauptstadt Itzehoe ist seit März »sicherer Hafen« und hat sich vor Kurzem bereit erklärt, zusätzlich zehn Geflüchtete aufzunehmen.
Schwanewede und Steinburg zeigen: Nicht nur in Großstädten, in vielen Orten in Deutschland erklären Gemeinden ihre Aufnahmebereitschaft für Geflüchtete - oder ringen darum. Lokale Aktivisten und Gemeindevertreter, Stadträte und auch Bürgermeister wie der SPD-Politiker Mike Schubert aus Potsdam machen Druck auf die Politik in den Bundesländern und auf die Bundesregierung. In Schwanewede etwa fordert der Gemeinderat in seinem Beschluss die eigenen Vertreter*innen im Landtag, Bundestag und Europaparlament dazu auf, sich dafür einzusetzen, dass die »aktive Behinderung« der Seenotrettung im Mittelmeer beendet wird.
Initiiert wurde die Aktion vom Bündnis Seebrücke vor fast genau zwei Jahren. »Im Zuge der Hafenschließung im Sommer 2018 haben italienische Bürgermeister erklärt, ihre Häfen seien offen. Wir haben dann deutsche Städte aufgefordert, dies ebenfalls zu tun - so ist das ins Rollen gekommen«, erzählt Seebrücke-Aktivistin Pflaum.
Zuletzt erklärte sich am vergangenen Dienstag der Landkreis Hersfeld-Rotenburg in Hessen zum »sicheren Hafen«. Am Mittwoch wird der bayerische Landtag über ein Landesaufnahmeprogramm für 500 Geflüchtete abstimmen. Laut Aktivisten des Münchener Flüchtlingsrates ist der Freistaat das »einzige Bundesland, das sich bislang noch nie an einem solchen Programm beteiligt hat«. Allein in München könnten 120 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen werden. 14 Kommunen in Bayern hätten sich zudem zu »sicheren Häfen« erklärt.
Die Hauptstadt ist schon weiter: Berlin wird in den nächsten Wochen rund 300 weitere Geflüchtete aus den Lagern auf den griechischen Inseln aufnehmen - mehr als es die reguläre Verteilung von 50 Geflüchteten in diesem Fall nach dem Königsteiner Schlüssel vorsieht. Die Aktivistenstädte arbeiten auch intensiver zusammen: Vor rund einem Jahr schlossen sich 57 Kommunen im Bündnis »Städte sicherer Häfen« zusammen, um aufnahmewillige Städte zu vernetzen. »Damit es nicht nur bei Bekundungen bleibt«, erklärt Pflaum. Die Seebrücke-Aktivist*innen arbeiten gerade auch an der europäischen Vernetzung von zivilgesellschaftlichen Flüchtlingshelfern und Städten. »Überall in Europa gibt es Bürgermeister, die sich gegen die aktuelle Flüchtlingspolitik stellen«, so Pflaum.
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