Nur Mitläuferinnen?

Rechtsextreme Frauen - als politische Gegnerinnen unterschätzt.

  • Judith Goetz
  • Lesedauer: 5 Min.

Beatrix von Storch, Alice Weidel und ehemals Frauke Petry haben mit der Übernahme von Führungspositionen in der AfD dazu beigetragen, der Partei ein modernes Image zu verpassen. Doch in der gesellschaftlichen und medialen Auseinandersetzung mit rechten Frauen* - das Sternchen markiert die Begriffe Mann/Frau im Text als konstruierte Kategorien - dominieren trotz jahrzehntelanger Forschung sowie feministischer und antifaschistischer Recherche immer noch Erstaunen und Skandalisierungsversuche. Oft bleiben diese bei dem Vorwurf stehen, dass rechte und rechtsextreme Gruppen und Parteien durch Sexismus und Antifeminismus auffallen und Frauen* und frauenpolitische Themen instrumentalisieren.

Dabei wird übersehen, dass das Engagement von Frauen* in extrem rechten Kreisen für sie durchaus die Möglichkeit der Selbstermächtigung mit sich bringt. Zudem wird die Modernisierung von Geschlechterbildern im Rechtsextremismus samt ihrer zahlreichen anzutreffenden Widersprüchlichkeiten negiert. Das zeigt sich zum einen darin, dass der Frauen*anteil in der extremen Rechten insgesamt gestiegen ist. Frauen* sind sichtbarer geworden, und auch die Partizipationsfelder sind in den letzten Jahrzehnten durchweg größer geworden. Das belegt die Präsenz zahlreicher bekannter Aktivist*innen und Frauen* in wichtigen Positionen sowie die steigende Anzahl von Frauen*zusammenschlüssen innerhalb bestehender Strukturen wie Parteien oder außerparlamentarischer Gruppierungen. Beispiele dafür sind die AfD Frauen*gruppen «FridA», Frauen in der Alternative e.V.« und »FAlter«, der FrauenAlternative e.V. oder die 2015 auf Facebook gegründete »Mädelgruppe Edelweiß«, später »Identitäre Frauen und Mädels«, die bis zu ihrer Auflösung ein virtueller Zusammenschluss blieb.

Politische Subjekte ...

Mit den gewachsenen Partizipationsmöglichkeiten von Frauen* in der extremen Rechten ist der Frauen*anteil in rechten Organisationen insgesamt angestiegen. Und es zeigt sich, dass Frauen*, die in rechten Gruppen organisiert sind - auch wenn das Engagement in rechten Gruppen für Frauen* durch die vorausgesetzte Unterwerfung unter die »Volksgemeinschaft« nur eine begrenzte Emanzipation mit sich bringt -, sich selbst als politische Subjekte wahrnehmen.

Dass der Gendergap bei der Stimmabgabe für rechte Parteien gesunken ist, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass rechtsextreme Denkmuster und Politikstile normalisiert sowie damit, dass die Grenzen des Sagbaren ständig ausgeweitet wurden. Zwar hatten sich rechte Wähler*innen auch in der Vergangenheit in Bezug auf Rassismus und Nationalismus kaum von Männern* unterschieden. Doch mit bestimmten rechtsextremen Artikulationsformen wie aggressiver Rhetorik oder Demagogie konnten sie wenig anfangen. Durch die Gewöhnung an rechte Parolen und die Veränderung des gesellschaftlichen Klimas in den letzten Jahren sind auch die Barrieren für Frauen* gesunken, rechte Parteien zu wählen oder sich in selbigen zu engagieren.

... trotz begrenzter Emanzipation

Rechte Gruppen sind durchlässiger geworden und versuchen zeitgemäßere, modernisierte geschlechterpolitische Angebote an Frauen* zu machen, die jedoch stets an biologistische und an rassistische Agenden gekoppelt werden. Dies zeigt sich vor allem beim Versuch, die Bedrohung sexualisierter Gewalt einzig auf migrantisch markierte Männer zu projizieren, während selbige im eigenen Wir-Kollektiv negiert wird. Dabei handelt es sich um eine altbekannte Strategie der extremen Rechten. Neu ist jedoch der Erfolg, den unterschiedliche rechte und rechtsextreme Gruppierungen mit der Thematisierung entsprechender Angstszenarien inzwischen für sich verbuchen können. Bei den Mobilisierungen und Aktionen im Nachgang der Silvesternacht in Köln 2015/16 ebenso wie bei den sogenannten Frauenmärschen oder den rechten »Kandel ist überall«-Demonstrationen ist die Rede von »importierter Gewalt« durch migrantisch markierte Täter, die durch geschlossene Grenzen verhindert hätte werden können. Rechte und rechtsextreme Frauen* haben daran einen aktiven Part.

Die Mobilisierungsfähigkeit geht dabei über die extreme Rechte hinaus und hilft ihr, aus dem rechten Eck herauszukommen. Denn bei sexualisierter Gewalt und Übergriffen handelt es sich nicht spezifisch um rechte Themen. Die Angst vor der Bedrohung (unserer Frauen*) ist in der vermeintlichen Mitte der Gesellschaft tief verankert. Die damit verbundenen Narrative ermöglichen es den entsprechenden Akteur*innen, sich als angebliche Aufklärer*innen und Verteidiger*innen von westlichen Werten oder Frauen*rechten zu inszenieren. Indem der Schutz von Frauen* oder rassistisch aufgeladene Frauen*themen in der extremen Rechten an Bedeutung gewonnen haben, sind auch die (rechten) Frauen* selbst wichtiger geworden und bekommen als authentische Sprecher*innen Aufmerksamkeit und Gehör.

Das Engagement rechter Frauen* bleibt aber bis heute von zahlreichen Widersprüchen und Ambivalenzen geprägt. So erhalten Frauen* im Umfeld der Identitären von innen wie außen zwar einerseits Aufmerksamkeit und versuchen als politische Aktivist*innen ihre Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Andererseits werden Frauen* bei bestimmten Anlässen - wie Aufmärschen oder der Artikulation von politischen Anliegen wie der Thematisierung sexualisierter Gewalt durch als migrantisch markierte Täter - gezielt von ihren männlichen Kameraden in den Vordergrund gestellt. Auf diese strategische Sichtbarkeit setzen nicht nur die Identitären, sondern auch andere rechtsextreme Gruppen und Parteien, um sich ein modernes und harmloseres Image zu verpassen oder mit dem Narrativ der vermeintlichen Bedrohung »unserer Frauen*« an die Wehrhaftigkeit bestimmter Männer* zu appellieren.

Die beschriebenen Partizipationsräume werden also auch immer wieder begrenzt, durch geschlechterstereotype Vorstellungen hinsichtlich der Rollenverteilung innerhalb rechter politischer Kämpfe und durch die Männer* in den jeweiligen Gruppen. Letztlich wird rechten Frauen* aber auch eine eigenständige Motivation, Aufmerksamkeit für ihre rassistischen Anliegen zu bekommen, abgesprochen und ihr Engagement auf eine Instrumentalisierung durch männliche Kader der Gruppe reduziert. Dies zeugt von einem Sexismus der linken Kritik. Das Engagement von Frauen* in rechten Parteien und Gruppen sollte in dem Spannungsfeld zwischen Selbstermächtigung und Instrumentalisierung gesehen werden. Das bedeutet, rechtsextreme Frauen* als Anhängerinnen menschenfeindlicher Ideologien und Täterinnen genauso ernst zu nehmen wie ihre männlichen Kameraden.

Judith Goetz ist Literatur- und Politikwissenschaftlerin. Sie ist Mitglied der Forschungsgruppe »Ideologien und Politiken der Ungleichheit« sowie des Forschungsnetzwerks »Frauen und Rechtsextremismus« und des Autorinnenkollektivs »Fe.In«.

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