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Angriff der Strohmänner
Die Schlacht um das linksradikale Hausprojekt »Rigaer 94« geht in die nächste Runde
Die Schlacht um das linksradikale Hausprojekt »Rigaer94« reißt nicht ab: Montag gegen acht Uhr gab es erneut einen Polizeieinsatz in der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain; dieses Mal soll es Verletzte gegeben haben. Laut Polizei sollen der vorgebliche Eigentümer-Anwalt Markus Bernau sowie der selbst proklamierte neue Hausverwalter Thorsten Luschnat beim Versuch, das Haus zu betreten, mit Reizgas und einer Eisenstange attackiert worden sein. Die beiden seien noch vor Ort von einem Sanitäter behandelt worden, sagte ein Sprecher zu »nd«. Polizist*innen, die kurze Zeit später vor Ort waren, wurden mit einem Feuerlöscher besprüht. Tatverdächtige wurden keine festgenommen.
Für die Bewohner*innen des Hausprojekts ein klarer Fall von Selbstverteidigung: »Eigentümeranwalt Bernau & Hausverwalter Luschnat versuchen ins Haus einzudringen. Auf die deutliche Ansage, sich zu verpissen, reagieren sie nicht, sondern greifen Leute im Durchgang und vor der Tür an. Dafür bekamen sie wohl die Quittung«, schrieben sie am Montag auf Twitter. Es liege nun an der Innensenatsverwaltung und der Polizeiführung, »ob sie ein politisches Desaster ansteuern«. Erst wenn klar sei, ob das teilweise besetzte Haus geräumt werden soll, werde man das »TagX-Konzept« ausrufen, so die Bewohner*innen, ohne zu verraten, was genau sie damit meinen.
Gegen halb zehn zogen die Beamt*innen wieder ab. Lediglich ein paar von Thorsten Luschnat beauftragte Handwerker lungerten noch vor dem Haus herum. Die brachial aussehenden jungen Männer schienen einer Konfrontation mit den Antifaschist*innen aus der »R94« nicht abgeneigt zu sein: Einer von ihnen hat den Schriftzug »Combat 81« auf der Glatze tätowiert. »Combat 18« ist eine militante Neonazi-Organisation, die in Deutschland verboten ist. »81« steht gemeinhin für die Anfangsbuchstaben der Hells Angels.
Es ist bereits der fünfte Tag in Folge, an dem es Auseinandersetzungen um das Hausprojekt gibt. Am Donnerstag vergangener Woche hatte die Polizei mit 200 Einsatzkräften einige Wohnungen im Vorderhaus gestürmt. Grundlage waren ein Durchsuchungsbeschluss wegen angeblicher Urkundenfälschung zum Zweck des Sozialbetrugs sowie der Einsatz eines Laserpointers, mit dem eine Polizistin Anfang Januar geblendet worden sein soll. Eine weitere Wohnung wurde gestürmt, als ihr Bewohner Farbe auf die Einsatzkräfte spritzte.
Im Schlepptau hatten die Beamt*innen Thorsten Luschnat, der angibt, der neue Hausverwalter zu sein. Gemeinsam mit Security und einem Trupp Bauarbeiter räumte er im Schutze des Polizeieinsatzes eine Wohnung im Erdgeschoss. Am nächsten Tag versuchten die Bauarbeiter dann, unter Einsatz von Gewalt in Wohnungen im vierten Stock einzudringen, was von den Bewohner*innen verhindert werden konnte. Die versuchte Räumung fand unter dem Schutz der Polizei statt, die den Einsatz jedoch zunächst leugnete (»nd« berichtete).
Das Brisante daran: Für die Wohnungen, von denen eine sogar legal angemietet sein soll, gibt es keinen Räumungstitel, auch ein Gerichtsvollzieher war nicht anwesend. Seit Jahren gibt es gerichtliche Auseinandersetzungen um das Projekt, die der Eigentümer ein ums andere Mal verlor. Denn die Eigentumsverhältnisse sind unklar. Weder kann der Direktor der Eigentümer-Briefkastenfirma Lafone Investment Limited, Mark Robert Burton, nachweisen, dass er handlungsbefugt ist, noch besaß Anwalt Markus Bernau zuletzt vor Gericht eine gültige Vollmacht. Somit dürfte auch die vermeintliche Hausverwaltung nicht bevollmächtigt sein.
»Das ist eindeutig rechtswidrig«, sagt die Grünen-Abgeordnete und Rechtsanwältin Canan Bayram, die für Friedrichshain-Kreuzberg im Bundestag sitzt, mit Blick auf die versuchten Räumungen. Sie war in den letzten Tagen selbst immer wieder vor Ort, um sich ein Bild von der Lage zu machen. So soll Strohmann Burton einen Vertrag mit dem neuen Hausverwalter Luschnat abgeschlossen haben. Diesen konnte Bayram auch einsehen, aber: »Wenn Burton nicht nachweisen kann, dass er der Geschäftsführer von Lafone Investment Limited ist, kann er auch keine Vollmacht an Luschnat erteilen«, stellt sie fest.
Die Polizist*innen hätten zudem nach einem Räumungstitel fragen, und da es diesen nicht gibt, die Bauarbeiter nach Hause schicken müssen, statt ihnen noch zu helfen. »Das klingt alles nach einer schlechten Wiederholung von 2016«, meint die Abgeordnete. Damals hatte die Polizei die hauseigene besetzte Kneipe »Kadterschmiede« auf Betreiben des Eigentümers geräumt – rechtswidrig, wie ein Gericht später feststellte.
Die Situation in der Rigaer Straße, wo es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und der Polizei kommt, ist verfahren. Um die Lage zu beruhigen, fordert Bayram, das Konzept der kriminalitätsbelasteten Orte (KBO), an denen die Polizei verstärkt im Einsatz ist und verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen darf, abzuschaffen. Auch der Bereich der Rigaer Straße rund um die Hausprojekte »Rigaer94« und »Liebig34« gilt als KBO. »Das Konzept ist nicht sinnvoll. Die Polizei produziert selbst die Zahlen, mit denen sie belegt, dass es ein kriminalitätsbelasteter Ort ist«, meint die Grünen-Politikerin.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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