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Boom und Niedergang gleichzeitig
Auch Brandenburgs Wohnungsmarkt zerfällt immer weiter in Speckgürtel und Peripherie
In Lauchhammer (Oberspreewald-Lausitz) steht jede dritte Wohnung leer, eine Steigerung um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr; Forst (Spree-Neiße) meldet fast 29 Prozent Leerstand. »Wenn das noch so zehn Jahre andauert, können die Unternehmen nicht mehr bestehen«, sagt Maren Kern, Vorständin des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) bei der Jahrespressekonferenz für das Land Brandenburg. In Guben (Spree-Neiße), das seit geraumer Zeit mit einer Rückkehrerinitiative versucht, neue Bewohner zu gewinnen, lag die Quote zum Stichtag 31. Dezember 2019 mit 17,1 Prozent immerhin 1,2 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert.
Solche Werte sind seit langem Normalität in den berlinfernen Regionen der Mark. »Der Leerstand ist seit 2010 unverändert hoch, obwohl über 16 000 Wohnungen von unseren Mitgliedsunternehmen abgerissen worden sind«, sagt Maren Kern. Außerhalb des Speckgürtels lag er bei den BBU-Mitgliedern, hauptsächlich Genossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen, bei 10,4 Prozent. Allein 2019 sind 924 Wohnungen abgerissen worden. »Gerade von Genossenschaften hören wir: ›Es sind uns wieder ein paar weggestorben und wir finden keine neuen Mieter‹«, berichtet die BBU-Chefin. Und das, obwohl gerade in dünn besiedelten Regionen wie der Lausitz der Trend zu verzeichnen ist, dass ältere Menschen ihre Häuser in den Dörfern verlassen und in Wohnungen in den Siedlungszentren ziehen. Denn dort gibt es noch Läden und Ärzte.
Der Leerstand spiegelt sich auch in den Mieten wider. 430 Euro ohne Heizkosten werden monatlich für 60 Quadratmeter in Guben fällig, 377 Euro in Fürstenberg/Havel (Oberhavel), um die 460 Euro in Städten mit schnellen Bahnverbindungen nach Berlin, wie Eberswalde (Barnim), Frankfurt (Oder) oder Brandenburg/Havel. Maren Kern bereitet auch die ihrer Aussage nach demnächst nötige Modernisierungswelle angesichts geringer Einnahmen der Mitglieder Sorgen.
Eine ganz andere Lage herrscht im Speckgürtel. 2019 wurden im Berliner Umland 929 Wohnungen fertiggestellt, dieses Jahr sollten es laut Planungen sogar 1156 werden, mehr als die Hälfte davon von Berliner BBU-Mitgliedern. »Wir werden diese Zahlen aber wahrscheinlich nicht erreichen«, räumt Kern ein. Insgesamt habe sich die Erteilung von Baugenehmigungen mit der Corona-Pandemie verzögert.
Der Bedarf ist da. Seit 2015 ist Potsdam um über 16 000 Menschen gewachsen. Ende 2019 knackte die Landeshauptstadt die 180 000-Einwohner-Marke, in der ersten Jahreshälfte 2020 wuchs die Stadt um weitere 500 Menschen. Immerhin konnte die Leerstandsquote bei 2,6 Prozent recht stabil gehalten werden. Der kommunale Vermieter Pro Potsdam, dem mit rund 17 000 Einheiten jede vierte Wohnung in der Stadt gehört, schaltet beim Neubau erstmals einen Gang zurück. Zumindest bis es mit dem riesigen Entwicklungsgebiet Krampnitz im Potsdamer Norden weitergeht. Die ersten Neubauten sollen dort von der Deutsche Wohnen 2024 fertiggestellt werden.
»Dort, wo der Druck auf dem Mietmarkt weiter steigt und bezahlbare Wohnungen knapp werden, muss neu und sozial verträglich in der Hand gemeinwohlorientierter Strukturen gebaut werden«, fordert Isabelle Vandre, die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Brandenburger Landtag.
In der Boomstadt unterscheiden sich die Mieten auch nur unwesentlich von den Berliner Werten. 519 Euro kostet die durchschnittliche Potsdamer 60-Quadratmeter-Wohnung monatlich, 543 Euro sind es in der Hauptstadt. Was auch daran liegen könnte, dass Pro Potsdam deutlich höhere Modernisierungsumlagen von seinen Mietern nimmt.
Insgesamt planen die BBU-Mitglieder die Errichtung von über 3700 Wohneinheiten in den Jahren 2021 bis 2024 im Speckgürtel. Manja Schreiner, Hauptgeschäftsführerin der Fachgemeinschaft Bau, freuen die geplanten Investitionen. »Damit kann die regionale Bauwirtschaft in den kommenden Monaten ihren Beitrag zur Stabilisierung der wirtschaftlichen Entwicklung im Land leisten«, erklärt sie.
Das ist bitter nötig. »Um den Einzelhandel mache ich mir echt Sorgen«, sagt Maren Kern. Während im Juni nur 0,09 Prozent der Wohnungsmieter eine coronabedingte Stundung beantragt hatten, waren es in Berlin bis zu ein Viertel der Gewerbemieter. Mit Zahlen aus Brandenburg kann Kern nicht dienen, sie habe aber beunruhigende Nachrichten von den Wohnungsbaugesellschaften aus Cottbus und Frankfurt (Oder) erhalten. »Das Gewerbe gehört neben der ärztlichen Versorgung zu einem funktionierenden Wohnumfeld dazu. Es treibt uns die Sorge um, dass das in Teilen wegbricht und dann nie wiederkommt«, so Kern. »Zum Jahresende wird man besser beurteilen können, ob eine Stundung der Mieten reicht oder ob wir Erlasse brauchen.«
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